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Krieg in SudanBerge von Leichen

Wie viele Menschen dem Massaker in Darfur zum Opfer gefallen sind, ist unklar. Dringend benötigte Hilfsgüter erreichen die Überlebenden nicht.

Familien aus El Fasher in einem Flüchtlingslager in Taliwa, Darfur, am 31. Oktober 2025 Foto: NRC via ap
Simone Schlindwein

Aus Kampala

Simone Schlindwein

„Das muss aufhören“, donnerte US-Außenminister Marco Rubio am Donnerstag zum Ende des G7-Außenministertreffens in Kanada und meinte damit die Gräueltaten der sudanesischen, paramilitärischen Miliz RSF (Schnelle Eingreiftruppe) in der von ihr eroberten Region Darfur. „Sie begehen Akte sexueller Gewalt und entsetzliche Gräueltaten gegen Frauen, Kinder, unschuldige Zivilisten der grausamsten Art“, so Rubio.

Ende Oktober hatte die RSF nach langer Belagerung die größte Stadt in Darfur, El Fasher, gestürmt und dort grausame Massaker begangen. Laut Schätzungen der Vereinten Nationen (UN) hatten sich rund eine Viertelmillion Menschen in der belagerten Stadt aufgehalten.

Bis heute ist nicht klar, wie viele sich retten konnten und wie viele dem Angriff zum Opfer fielen. Die RSF hatte vor dem Sturm einen gewaltigen Erdwall rund um die Stadt ausgehoben, der die Bevölkerung an der Flucht hinderte. Satellitenbilder lassen darauf schließen, dass dort in den vergangenen Tagen Leichenberge aufgehäuft und verbrannt wurden.

Gestoppt werden soll auch die internationale Unterstützung, die die RSF erhält, betont Rubio: „Wir wissen, wer sie sind“, so der US-Außenminister. Die US-Administration werde sich dieses Problems annehmen, kündigte er an, ohne Namen zu nennen.

Moderne Kampfdrohnen

Gemeint sind damit vor allem die Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), die nicht nur einfache Waffen, sondern auch moderne Kampfdrohnen und kriegsrelevante Hochtechnologien an die RSF-Miliz liefern. Beim Sturm El Fashers hatte die RSF Geräte eingesetzt, die die Satellitentelefone der in der Stadt stationierten Soldaten der Armee (SAF) störten.

US-Senatoren fordern gar, die RSF als internationale Terrororganisation zu listen, wodurch sämtliche Unterstützung an die RSF weltweit geahndet werden könnte. Sudans Außenminister Muhi al-Din Salem begrüßt den Vorstoß aus Washington: Die RSF direkt anzuklagen und die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, sie als Terrororganisation einzustufen, so Salem, „ebnet den Weg für eine Korrektur der Sichtweise der internationalen Gemeinschaft auf die Geschehnisse im Sudan“.

Internationalen Hilfswerke bemühen sich derzeit, den Überlebenden aus El Fasher die dringend benötigte Hilfe zukommen zu lassen. Täglich treffen rund 300 Überlebende in dem 70 Kilometer entfernten Vertriebenenlager Tawila ein, die meisten sind Frauen und Kinder, melden dortige Hilfswerke.

Doch das Lager platzt mit mehr als 650.000 Menschen aus allen Nähten. Es gibt nicht genügend Zelte, Decken oder Lebensmittel, so die Internationale Organisation für Migration (IOM). „Trotz des steigenden Bedarfs stehen die humanitären Hilfseinsätze kurz vor dem Zusammenbruch“, klagt IOM-Chefin Amy Pope.

Ein Zeichen setzen

„Die Lager sind nahezu leer, Hilfskonvois sind erheblichen Sicherheitsrisiken ausgesetzt, und anhaltende Zugangsbeschränkungen verhindern weiterhin die Lieferung ausreichender Hilfsgüter.“ IOM appelliert dringend an die internationale Gemeinschaft, die Finanzierung zu erhöhen, „um eine noch größere Katastrophe abzuwenden“, so Pope.

Unterdessen versucht Tom Fletcher, Chef des UN-Koordinierungsbüros für Humanitäre Hilfe (OCHA), ein Zeichen zu setzen. Er ist derzeit selbst auf dem Weg nach El Fasher. Aus dem Nachbarland Tschad kommend, reist er mit einem UN-Auto-Konvoi durch das Bürgerkriegsgebiet in Darfur und dokumentiert dabei öffentlich die beschwerliche Reise auf der Onlineplattform X.

„Das ist ein brutaler und unmenschlicher Krieg“, betont er in einem der Videos. „Es muss uns erlaubt werden, unsere Hilfsgüter zu den Überlebenden zu bringen“, so Fletcher. Vor seiner Abreise war er in Sudans Hafenstadt Port Sudan, wo die sudanesische Regierung unter General Abdel Fattah Burhan zeitweilig ihren Sitz hat, da die Hauptstadt Khartum zerstört wurde. Und auch mit der RSF-Führung habe er gesprochen, so Fletcher: „Damit wir ausnahmslosen Zugang erhalten.“

Im Fadenkreuz

Unterdessen verlagert sich die Front in Richtung der Region Kordofan. RSF-Fahrzeuge werden derzeit rund um die Stadt El Obeid, Hauptstadt der Provinz Nord-Kordofan, zusammengezogen. Diese liegt quasi auf halber Strecke zwischen dem RSF-Hauptquartier in Nyala in Darfur und der Hauptstadt Khartum.

Auch die Stadt Babanusa in West-Kordofan gerät nun ins Fadenkreuz. Laut Videos im RSF-eigenen Telegram-Kanal sei die Stadt, in welcher Soldaten der Sudanesischen Armee (SAF) stationiert sind, bereits umzingelt und werde nun belagert, ähnlich wie zuvor El Fasher. Offenbar nutzt die RSF den von Washington ausgerufenen Waffenstillstand, um sich neu zu organisieren.

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