Krieg in Sudan: Krankenhaus als Kriegsziel
In El Fasher, einer Millionenstadt in Sudans Kriegsregion Darfur, muss das letzte funktionsfähige Krankenhaus schließen. Die RSF-Miliz hat es verwüstet.
„RSF-Soldaten stürmten das Krankenhaus, eröffneten das Feuer und plünderten es“, erklärte MSF Sudan. Das Gesundheitsministerium der Provinz Nord-Darfur, dessen Hauptstadt El Fasher ist, erklärte gegenüber dem Nachrichtenportal Darfur24, das Krankenhaus sei geschlossen worden, „nachdem es bombardiert wurde und nachdem medizinisches Personal, Patienten und ihre Begleiter angegriffen, medizinisches Gerät und Büros verwüstet, Geld für Gehälter gestohlen und Medikamente und ein MSF-Krankenwagen gestohlen wurden“.
El Fasher ist ein Brennpunkt des Krieges in Sudan, der im April 2023 ausbrach, als der bisherige Vizepräsident Mohamed Hamdan Daglo mit der von ihm geführten paramilitärischen Miliz RSF (Rapid Support Forces) in den Aufstand gegen die Militärregierung trat. Seitdem sind Schätzungen zufolge bis zu 150.000 Menschen in Sudan getötet und rund 10 Millionen in die Flucht getrieben worden. Hilfswerke befürchten aufgrund des kriegsbedingten Zusammenbruchs der Landwirtschaft eine schwere Hungersnot mit Millionen Toten in den nächsten Monaten, vor allem in Darfur.
El Fasher ist die einzige der fünf Provinzhauptstädte von Darfur, die die RSF noch nicht erobert hat. Die Miliz ging einst aus den für einen Völkermord an Darfurs nicht-arabischen Volksgruppen vor rund zwanzig Jahren verantwortlichen staatstreuen Janjaweed-Milizen hervor. Sie hat im vergangenen Jahr im Rahmen ihres Kampfes gegen die Regierungsarmee weite Teile Darfurs unter Kontrolle gebracht und begann im Mai mit Angriffen auf militärische Einrichtungen und auch zivile Ziele in El Fasher, das zuvor aufgrund lokaler Vereinbarungen friedlich geblieben war, Hunderttausende Kriegsflüchtlinge aufnahm und zum Zentrum humanitärer und medizinischer Versorgung der Bevölkerung der ganzen Region aufstieg.
Mehrfach bereits Ziel direkter Angriffe
Das „Southern Hospital“ von El Fasher liegt unweit einer der wichtigsten Militärbasen der Stadt. Es hatte laut den Behörden zwar nur 120 Betten, war aber das bestausgestattete in Darfur und zuletzt nach der Zerstörung zweier anderer großer Krankenhäuser in der Stadt, darunter das Kinderkrankenhaus, das letzte, das noch in nennenswertem Umfang Kriegsopfer aufnehmen konnte. Es ist seit dem 25. Mai dreimal Ziel direkter Angriffe geworden, die 2 Tote und 14 Verletzte auf dem Krankenhausgelände forderten.
„Es ist das einzige Krankenhaus, in dem eine Vielzahl von Verwundeten überhaupt noch behandelt werden kann“, hatte MSF-Projektkoordinator Abdifatah Yusuf Ibrahim am 28. Mai berichtet. „Seit die Kämpfe am 10. Mai die Stadt erreichten, wurden in dem Krankenhaus über 1.000 Patienten aufgenommen. Leider waren 145 von ihnen in einem so kritischen Zustand, dass sie ihren Verletzungen erlagen. Das Krankenhaus befindet sich nun direkt an der Front“. Bis vergangene Woche stieg die Gesamtzahl der im Southern Hospital behandelten auf rund 1.300.
Am Mittwoch vergangener Woche wurden bereits Insassen des Krankenhauses in andere Einrichtungen verlegt, nachdem Kämpfe in der Nachbarschaft ausgebrochen waren. Zum Zeitpunkt der Erstürmung am Samstag „waren nur zehn Patienten und ein verringertes medizinisches Team vor Ort“, so MSF Sudan. „Die meisten, darunter alle MSF-Mitarbeiter, konnten vor der RSF fliehen. Wegen des Chaos konnte unser Team nicht überprüfen, ob es Tote oder Verletzte gegeben hat.“
Zehntausende auf der Flucht aus der Stadt
Die Schließung des Krankenhauses erfolgte inmitten immer intensiverer Kämpfe in El Fasher. Allein am Donnerstag sollen über 30 Raketen in der Stadt eingeschlagen sein. Angesichts der katastrophalen Lage fliehen Zehntausende von Menschen aus El Fasher, berichten lokale Medien. Die Fahrpreise in andere Regionen seien explodiert, die Versorgung der Stadt so gut wie eingestellt.
Die Sorge ist groß, dass eine vollständige Einnahme El Fashers durch die RSF nicht nur zu einer Massenflucht und einer weiteren humanitären Katastrophe führt, sondern auch den Sudankrieg internationalisieren könnte. In El Fasher ansässige Führer der nichtarabischen Volksgruppe der Zaghawa, bereits vor zwanzig Jahren Hauptopfer der Janjaweed in Darfur, sollen den ebenfalls zur Zaghawa-Volksgruppe gehörenden Präsidenten des Nachbarlandes Tschad, Mahamat Déby, um Eingreifen gegen ein „katastrophales Blutbad“ gebeten haben. In Tschad haben Hunderttausende Bewohner Darfurs Zuflucht vor der RSF gefunden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken