Krieg in Sudan: Nicht auf der Prioritätenliste
Der Konflikt in Sudan wird erst enden, wenn die Militärs die Macht an eine zivile Regierung abgeben. Der Schlüssel dazu liegt in Ägypten und am Golf.
Noch hält die Armee wichtige Schlüsselstellungen wie den Präsidentenpalast, aber die RSF-Milizen halten Stellungen in andren Teilen der Stadt. Bisher scheint es der Armee aber auch mithilfe ihrer Luftwaffe gelungen zu sein, die RSF-Milizen von strategischen Punkten in Khartum fernzuhalten. Die Armee behauptete in ihrer jüngsten Erklärung, dass sie die Kontrolle über die meisten sudanesischen Provinzen gewonnen habe, dass „die Lage in einigen Teilen der Hauptstadt allerdings etwas kompliziert“ sei – eine propagandistische Untertreibung. Solange beide Seiten glauben, den Machtkampf gewinnen zu können, ist ein dauerhafter Waffenstillstand eher unwahrscheinlich.
In der Nacht von Donnerstag auf Freitag lief ein 72-stündiger Waffenstillstand aus, den beide Seiten vereinbart und wiederholt gebrochen hatten. Die Armee stimmte zuerst zu, diesen um weitere 72 Stunden zu verlängern, gefolgt von den RSF-Milizen. Vermittelt worden war die Verlängerung von Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, den USA, Großbritannien und Norwegen.
Doch schon am Freitagvormittag, wenige Stunden nach der Verlängerung, warfen sich beide Seiten vor, die Vereinbarung gebrochen zu haben. Die Kämpfe um den Präsidentenpalast gingen weiter. Die Armee habe Stellungen der RSF in Omdurman angegriffen und Stellungen auf der Nilinsel Tuti bombardiert, hieß es vonseiten der RSF. Die Armee warf den RSF vor, ein türkisches Evakuierungsflugzeug beschossen zu haben, das ausländische Staatsbürger ausfliegen wollte.
Trotz der unübersichtlichen Lage haben die Waffenstillstandsversuche genug Ruhe geschaffen, um Tausenden Zivilisten die Möglichkeit zur Flucht zu geben. Nach UN-Angaben sind mindestens 20.000 Menschen in den benachbarten Tschad geflüchtet, 16.000 nach Ägypten, 4.000 in den Südsudan und 3.500 nach Äthiopien.
Währenddessen lag der internationale Fokus darauf, die eigenen Staatsbürger in Sicherheit zu bringen. Die meisten werden von Wadi Seidna, einem Luftwaffenstützpunkt nördlich von Khartum, ausgeflogen, der von der Armee kontrolliert wird. Andere werden über den Rotmeerhafen Port Sudan ausgeschifft oder schaffen es über die Landesgrenze nach Ägypten. Dabei gab es immer wieder Beschwerden von in Sudan verbliebenen Ausländern, dass die Operationen chaotisch seien. Einerseits wurden sie von ihren jeweiligen Staaten aufgerufen, nicht das Haus zu verlassen, andererseits wurden sie per Anruf aufgefordert, sich ohne große Vorlaufzeit an einem Flughafen einzufinden.
Verschwindet der Sudan aus den Schlagzeilen?
Auch unter den evakuierenden Nationen gab es immer wieder Unstimmigkeiten. Als britische Flugzeuge ohne Abstimmung mit der sudanesischen Armee in Wadi Seidna landeten, um ihr Botschaftspersonal auszufliegen, führte das offenbar dazu, dass sich deutsche Evakuierungsflüge verspäteten, wie hochrangige deutsche Politiker der britischen BBC steckten.
Als der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius gefragt wurde, warum Großbritannien so schnell evakuiere, konnte er es sich nicht verkneifen zu sticheln: „Wie soll ich es diplomatisch ausdrücken? Sie haben ignoriert, was die Sudanesen vorgeschrieben haben.“
Die große Befürchtung ist nun, dass der Sudan aus den Schlagzeilen verschwindet und die internationalen Bemühungen um ein Ende des Konflikts stark abnehmen, sobald alle ausländischen Staatsbürger außer Landes gebracht sind. Der Sudan hat international keine besondere strategische Bedeutung und die Flüchtlinge bleiben bisher eher in den afrikanischen Nachbarländern.
Schon mit dem Staatsstreich 2021, der auf eine Übergangsperiode nach dem Sturz von Langzeitherrscher Omar al-Baschir im Jahr 2019 folgte, hatten die Hoffnungen auf einen Übergang zu einer zivilen Regierung und zu demokratischen Wahlen einen Dämpfer erhalten. Doch die internationalen Reaktionen auf den Putsch hielten sich in Grenzen.
Der Sudan steht international nicht auf der Prioritätenliste. David Miliband, Chef der Hilfsorganisation International Rescue Committee und ehemaliger britischer Außenminister sprach das deutlich aus: „Die Tatsache, dass die Medienberichterstattung und der Großteil der politischen Aufmerksamkeit darauf konzentriert ist, Tausende ihrer Staatsbürger außer Landes zu bringen, und nicht darauf, auf die Bedürfnisse von Millionen Menschen einzugehen, bleibt einem im Hals stecken“, sagte er der BBC.
„Natürlich ist das Leben der tausenden Menschen wichtig, die evakuiert werden müssen, aber was ist mit den 45 Millionen, die zurückbleiben?“, fragte Miliband.
Konfliktparteien werden hofiert
Viel wird jetzt davon abhängen, wie viel Druck international aufgebaut wird, um die Männer mit den Waffen in Sudan an den Verhandlungstisch zu bringen und ein Ende der Kämpfe zu erreichen. Der Südsudan, seit 2011 unabhängig, hat sich als Gastgeber für Verhandlungen angeboten und US-Außenminister Antony Blinken verkündete in Washington, man arbeite „sehr aktiv“ daran, den Waffenstillstand zu verlängern, der die Gewalt vermindert habe, auch wenn er nicht perfekt sei.
John Kirby, Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, erklärte, dass es Washingtons Priorität sei, die Gewalt zu vermindern. „Wir wollen natürlich, dass die Gewalt ganz stoppt, damit kein sudanesisches Leben in Gefahr ist und endlich humanitäre Hilfe dorthin kommt, wo sie gebraucht wird“. Doch eine Sprecherin des Weißen Hauses warnte später, die Situation könne sich jeden Moment noch verschlechtern.
Aber selbst wenn die Bemühungen von Erfolg gekrönt sein sollten, das grundsätzliche Problem, die Kämpfe wirklich zu beenden, ist alles andere als gelöst. Noch werden die kämpfenden Parteien hofiert. International werden mit ihnen die Evakuierungsflüge koordiniert und man braucht ihre Einigung für einen Waffenstillstand.
Hinzu kommen die Sponsoren der Kriegsparteien: Ägypten setzt auf die Armee und deren Chef al-Burhan. Die Emirate unterstützen Hametti. Mit dessen RSF-Milizen führen sie einen lukrativen Handel im Goldabbau, der über Dubai abgewickelt wird. Außerdem mieten die Emirate für Konflikte etwa in Libyen oder im Jemen immer wieder die Milizionäre der RSF als Söldner an. Sowohl Ägypten als auch die Emirate und in geringerem Maße auch Saudi-Arabien hoffen, mithilfe der Armee oder den RSF ihren Einfluss in Sudan zu vergrößern. Auch russische Söldner der Wagner-Gruppe kooperieren mit den RSF beim Abbau von Goldvorkommen.
Am Ende geht es darum, dass die Männer mit den Waffen in Sudan ihre Macht endlich an eine zivile Regierung abgeben. Das werden sie nicht freiwillig tun. Es wird nur geschehen, wenn sie international isoliert werden. Der Schlüssel dazu liegt in Ägypten und bei den Golfstaaten.
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