Krieg in Mali: Kampfbomber über der Wüste
Im Süden Malis hoffen viele auf ausländische Hilfe. Doch die Rebellen sind gut bewaffnet und kennen sich in der Region bestens aus.
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COTONOU taz | Wer sich hier oben nicht auskennt, hat verloren: Weite Teile in Malis Norden, wo die Straßen bestenfalls Pisten sind, lassen sich nur im Geländewagen überwinden. Siedlungen sind selten. Die paar Büsche und Sträucher, die im kräftig gelben Sand wachsen, sehen gleich aus.
Schon vor den Angriffen der Befreiungsbewegung von Azawad (MNLA) seit Januar 2012 war die Region dünn besiedelt. Nur zehn Prozent der rund 14 Millionen Malier lebten hier – obwohl dieses riesige Gebiet zwei Drittel der gesamten Staatsfläche ausmacht. Doch außer in den wenigen Städten wie Gao und Timbuktu, wo an den Ufern des Nigers Landwirtschaft betrieben werden kann, hat die schwer zu überblickende Wüstenregion nichts zu bieten.
Fast ein Drittel der Bewohner sind mittlerweile aus dem Norden geflüchtet, schätzt das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR). Den Kontakt in die Heimat zu halten, ist schwierig – auch wenn man sich noch aus Mopti oder Sévaré, den beiden Städten südlich der Demarkationslinie, in den Norden durchschlagen kann. „Ich habe seit Monaten nichts mehr von meiner Familie gehört“, klagt Amadou Dicko, der in der Nähe von Sévaré lebt, „die Telefonverbindung geht nicht mehr“. Herholen kann er seine Leute nicht, wie er sagt. „Wo sollte meine Familie hier wohnen, wovon leben?“ Er zuckt mit den Schultern.
Die Lage seiner Familie, die schon immer in Gao gelebt hätte, dürfte noch viel unsicherer werden. Seit Freitag kämpfen französische Soldaten in Mali. Die örtlichen Medien haben am Sonntag immer wieder berichtet, dass Flugzeuge gesichtet worden seien.
Intervention nicht ausgeschlossen
Im Laufe des Wochenendes erklärten sich außerdem mehrere Länder der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas bereit, ebenfalls Truppen zu stellen. So wollen Togo und Burkina Faso und Senegal jeweils 500 Soldaten schicken. Aus Benin sollen 300 weitere stammen. Ein Sondergipfel der Ecowas ist für kommenden Mittwoch geplant.
In den vergangenen Monaten hatten die Westafrikaner als einziges Bündnis angekündigt, Soldaten nach Mali zu schicken und bereits Mitte des Jahres eine militärische Intervention nicht ausgeschlossen. Gleichzeitig war allerdings auch Blaise Compaoré, Präsident von Burkina Faso, zum Chefvermittler ernannt worden. Doch das bisher einzige Gespräch mit der MNLA und der islamistischen Gruppierung Ansar Dine (Verfechter des Glaubens) verlief erfolglos.
Nach Informationen des Senders BBC konzentrieren sich die Luftangriffe derzeit auf die Städte Lere, Douentza und Konna, die alle drei im Süden des besetzten Gebietes liegen. In Konna hatten in den vergangenen Tagen mehrfach malische Soldaten gegen Ansar Dine gekämpft. Die Terror verbreitenden Gruppierungen (siehe rechte Spalte) seien auf dem Vormarsch nach Süden, heißt es. Dabei sollen neben Ansar Dine auch die MUJAO (Bewegung für Einheit und Jihad in Westafrika) sowie AQMI (al-Qaida im Islamischen Maghreb) schon längst auch in der Region, die offiziell noch unter der Kontrolle von Bamako steht, ein gutes Netzwerk haben. Dort sollen sich ihre Anhänger nur unauffälliger bewegen als im Norden.
Schlecht gesicherte Grenzen
Gerade für den Kampf im Norden gelten die Aufständischen als besonders gut ausgestattet: Neben Waffen und Munition sollen sie über ausreichend geländetaugliche Fahrzeuge verfügen und sich vor allem in der extrem dünn besiedelten Region bestens auskennen.
Da die Grenzen zu den Nachbarländern als schlecht gesichert gelten, könnten sich auch dort Rückzugsmöglichkeiten bieten. So dürfte es mit ein paar Anschlägen aus der Luft nicht getan sein, obwohl dies einige Malier gern glauben wollen. Noch bevor der UN-Sicherheitsrat den militärischen Einsatz afrikanischer Streitkräften am 20. Dezember genehmigte, sagten sie gerne: „Die malische Armee ist bereit und kann sofort loslegen.“ Sie müsse einfach nur Gao, Timbuktu und Kidal, die drei Städte des Nordens besetzen. Dann sei alles ein Kinderspiel und das Problem innerhalb weniger Tage gelöst.
Doch erst am Samstag musste Interims-Präsident Diancounda Traoré im malischen Staatsfernsehen ORTM mitteilen lassen: Elf Soldaten sind bereits gefallen, 60 wurden verletzt. Bei einer Armee, die nur noch aus 4500 bis 6000 Soldaten bestehen soll, ist das eine Menge. Bei den Kämpfen in Konna starben mindestens zehn Zivilisten, schätzen Menschenrechtsorganisationen.
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