Krieg in Libyen: Gaddafi schickt Bittbrief an Obama
In einem wirren Schreiben an den US-Präsidenten bittet Libyens Diktator um ein Ende der Luftangriffe. Washington bleibt reserviert. Die UNO ist in ernster Sorge um die Bevölkerung in Misurata.
WASHINGTON/NEW YORK dpa/rtr | Der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi hat US-Präsident Barack Obama in einem wirr formulierten Brief aufgerufen, die von der Nato geführten Luftangriffe zu beenden. Zugleich setzten die Milizen Gaddafis ihre Angriffe gegen Stellungen der Aufständischen fort. Vor allem die belagerte Stadt Misurata geriet erneut unter Beschuss durch Artillerie. Die Vereinten Nationen forderten für die Stadt eine Feuerpause, um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern.
US-Außenministerin Hillary Clinton betonte, die Nato-Angriffe würden erst aufhören, wenn Gaddafi zurücktrete und Libyen verlasse. "Ich glaube nicht, dass es ein Geheimnis ist, was von Herrn Gaddafi im Moment erwartet wird", sagte sie nach Angaben des Senders CNN.
Derweil sollen nach Angaben der libyschen Regierung beii einem britischen Luftangriff auf ein Ölfeld drei Menschen ums Leben gekommen und weitere verletzt worden sein. Außerdem sei eine Pipeline beschädigt worden, die das Ölfeld Sarir mit dem Hafen Hariga verbindet, sagte der libysche Vize-Außenminister Chaled Kaim am Mittwoch vor Journalisten. Der Angriff verstoße gegen internationales Recht und sei nicht durch die UN-Resolution gedeckt, kritisierte er. Eine Stellungnahme des britischen Verteidigungsministeriums war zunächst nicht zu erhalten.
Gaddafi äußert Hoffnung auf Obamas Wiederwahl
Gaddafi sprach in seinem Schreiben an Obama von einem "ungerechten Krieg" gegen sein Land, wie CNN berichtete. "Wir haben durch das, was uns durch Ihre Worten und Taten zugefügt wurde, mehr moralisch als physisch gelitten", wurde der libysche Führer am Mittwoch weiter zitiert. "Trotz allem werden Sie immer unser Sohn bleiben."
Die USA hatten bislang die Hauptlast der internationalen Luftangriffe gegen Stellungen der Gaddafi-Truppen getragen. Gaddafi äußerte dennoch die Hoffnung, dass Obama im nächsten Jahr als Präsident wiedergewählt wird. Er erklärte weiter, dass eine demokratische Gesellschaft nicht durch Raketen und Kampfflugzeuge aufgebaut werden könne. "Sie sind ein Mann, der genug Mut hat, eine falsche Handlung zu annullieren." Bereits früher hatte Gaddafi Obama im väterlichen Ton geschrieben.
Obamas Sprecher Jay Carney machte deutlich, dass das Weiße Haus dem Brief wenig Bedeutung beimisst. "Offensichtlich ist es nicht der erste (Brief Gaddafis)", sagte Carney. Die Position des Präsidenten sei bekannt. Nicht Worte zählten, sondern Taten: Gaddafi müsse die Gewalt gegen die Bevölkerung beenden und seine Truppen zurückziehen.
UN fordert Waffenstillstand im Kampf um belagertes Misurata
Auch die Vereinten Nationen forderten ein Ende der Gewalt gegen die Bevölkerung in Libyen und baten zugleich dringend um einen Waffenstillstand in der von Gaddafi-Milizen belagerten und schwer umkämpften Stadt Misurata. "Ich bin in ernster Sorge wegen der humanitären Situation in der Stadt", sagte UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos am Mittwochabend in New York. Nach 40 Tagen ständiger Gefechte seien nicht nur die etwa 300 000 Einwohner in einer verzweifelten Situation. Schlimmer ergehe es noch den Tausenden Ausländern und Flüchtlingen. Nahrungsmittel, Wasser, Medikamente und auch Strom und andere grundlegende Dinge seien längst knapp.
"Wir stehen mit Hilfsgütern parat", so Amos weiter, "Aber wir brauchen eine Feuerpause, um die Sachen zu den Menschen zu bringen, die sie nötig brauchen." Wegen der heftigen Kämpfe könne niemand die Stadt verlassen. "Jetzt ist die Möglichkeit, aus der Stadt zu fliehen, eine Frage von Leben und Tod. Wir brauchen die Feuerpause auch, damit die Leute sich und ihre Familien in Sicherheit bringen können."
Der designierte FDP-Vorsitzende Philipp Rösler sprach sich für humanitäre Hilfe Deutschlands in Libyen aus. "An der Militäraktion gegen den Diktator Gaddafi haben wir uns aus gutem Grund nicht beteiligt", sagte er in einem Interview der Bild-Zeitung. "Wenn jetzt aber die EU eine humanitäre Aktion in Libyen plant, dann müssen wir dabei sein. Das wird dann von Deutschland zu recht erwartet."
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