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Krieg in LibyenKampf um Tripolis beginnt

Die Anti-Gaddafi-Rebellen haben bei blutigen Kämpfen Teile der Hauptstadt Tripolis unter ihre Kontrolle gebracht. Nun wird spekuliert, Gaddafi sei auf der Flucht Richtung Algerien.

Die Rebellen haben den Kampf um Tripolis aufgenommen. Bild: dpa

TRIPOLIS dpa/dapd | Ein halbes Jahr nach Beginn des Aufstandes in Libyen hat der Kampf um Tripolis begonnen. Bei blutigen Kämpfen brachten die Rebellen in der Nacht zum Sonntag nach eigener Darstellung Teile der Hauptstadt unter ihre Kontrolle. Dies sagte ein Rebellensprecher dem Nachrichtensender BBC. "Die Rebellen in Tripolis haben sich erhoben", sagte ein Mitglied des nationalen Übergangsrats der Aufständischen dem Nachrichtensender Al-Dschasira. Zuvor hatten die Rebellen die Stadt Zlitan, 160 Kilometer östlich von Tripolis, in ihre Gewalt gebracht.

Der zuletzt immer stärker bedrängte Machthaber Muammar al-Gaddafi meldete sich während der Gefechte mit einer im staatlichen Fernsehen übertragenen Audiobotschaft zu Wort. Er bezeichnete die Rebellen als "Verräter" und "Ratten" und beschuldigte sie, Libyen zerstören zu wollen. Gaddafi-Sohn Saif al-Islam erklärte in einer aufgezeichneten Rede, die am frühen Sonntagmorgen vom libyschen Fernsehen verbreitet wurde, sie würden nicht aufgeben. Am Sonntagmittag meldete die Nachrichtenagentur dpa hingegen, Gaddifi habe die Hauptstadt Richtung algerische Grenze verlassen. Aus gut informierten Kreisen in Tripolis verlautete am Sonntag, der Staatschef und seine Familie hielten sich in einer Region unweit der Grenze auf. Ihr Plan sei es möglicherweise, nach Algerien zu flüchten. Eine Bestätigung für diese Nachricht vonseiten der Rebellen gab es zunächst nicht.

Die Rebellen belagerten am Sonntag nach eigenen Angaben den Gebäudekomplex von Gaddafi in Tripolis. Der arabische Fernsehsender Al Arabija berichtete, die Aufständischen hätten Dutzende von Soldaten Gaddafis gefangen genommen. Doch auch die Aufständischen erlitten hohe Verluste.

Es begann in Bengasi

BENGASI afp Die wichtigsten Daten des Aufstands und des internationalen Militäreinsatzes:

15. Februar: Beginn der friedlichen Proteste gegen Gaddafi, die in Bengasi und al-Baida gewaltsam niedergeschlagen werden, sich aber bald auf andere Städte ausdehnen.

22. Februar: Gaddafis Justizminister Mustafa Abdel Dschalil und Innenminister Abdel Fatah Junes schließen sich den Aufständischen an.

23. Februar: Der Osten Libyens von der ägyptischen Grenze bis nach Adschdabija ist in der Hand der Rebellen.

28. Februar: Nach den USA verhängt auch die EU Sanktionen gegen die Regierung Gaddafis.

10. März: Frankreich erkennt als erstes Land den Nationalen Übergangsrat der Rebellen als "einzige Vertretung Libyens" an.

17. März: Angesichts der drohenden Einnahme der Rebellenhochburg Bengasi erlaubt der UN-Sicherheitsrat zum Schutz der Zivilbevölkerung den Einsatz von Gewalt.

18. März: Eine Koalition unter Führung von Frankreich, Großbritannien und den USA beginnt mit Luftangriffen.

13. April: Die Libyenkontaktgruppe, in der alle am Militäreinsatz beteiligten Staaten vertreten sind, fordert den Rücktritt Gaddafis.

20. April: Nach Großbritannien entsenden auch Frankreich und Italien Militärberater zu den Rebellen. Die Front stabilisiert sich zwischen Brega und Adschdabija.

1. Mai: Gaddafis jüngster Sohn Saif al-Arab und drei seiner Enkel werden bei einem Nato-Luftangriff getötet.

11. Mai: Nach einer zweimonatigen Belagerung nehmen die Rebellen den Flughafen der Hafenstadt Misurata ein und durchbrechen damit die Belagerung.

27. Juni: Der Internationale Strafgerichtshof erlässt Haftbefehle gegen Gaddafi, seinen Sohn Saif al-Islam und Geheimdienstchef Abdallah al-Senussi.

29. Juni: Frankreich erklärt, Waffen für die Rebellen in den Nefussa-Bergen im Westen des Landes abgeworfen zu haben.

15. Juli: Die Libyenkontaktgruppe erkennt den Übergangsrat der Rebellen als die "einzige legitime Regierung" an.

9. August: Die Gaddafi-Regierung wirft der Nato vor, bei einem Luftangriff auf Sliten 85 Zivilisten getötet zu haben. Die Nato streitet dies ab.

17. August: Der Übergangsrat stellt einen Zeitplan für die Übergabe der Macht an eine demokratische Regierung nach dem Sturz Gaddafis vor.

19. August: Nach der Einnahme von Gharjan im Süden der Hauptstadt geben die Rebellen auch die Eroberung von Sawijah im Westen und Sliten im Osten bekannt.

20. August: Die Rebellen melden die komplette Einnahme des östlichen Ölhafens Brega, müssen sich darauf aber wieder in Randbereiche des Ortes zurückziehen.

21. August: Mehrere Stadtviertel von Tripolis werden von heftigen Kämpfen erschüttert.

Mehr als 100 Aufständische sterben

Allein bei den Gefechten im Stadtviertel Tadschura kamen nach Angaben eines Rebellenführers laut Al-Dschasira mindestens 123 Aufständische ums Leben. Auch in anderen Teilen von Tripolis soll es Tote gegeben haben. Neben Tadschura kontrollierten die Regimegegner nach eignen Angaben auch das Viertel Souk al-Dschumaa.

Wie ein Rebellensender berichtete, hätten die Kämpfer auch die Kontrolle über ein Waffendepot und den Internationalen Flughafen von Tripolis übernommen. Der Vorsitzende des Übergangsrates, Mustafa Abdul Dschalil, sagte Al-Dschasira, dass alle Aktionen vorbereitet und koordiniert seien.

Der Sprecher der libyschen Regierung, Mussa Ibrahim, bestätigte die Zusammenstöße in der Hauptstadt. Sie seien jedoch nach etwa einer halben Stunde unter Kontrolle gebracht worden. "Tripolis ist friedlich und vollständig unter Kontrolle der Armee", sagte er laut Al-Dschasira gegen Mitternacht (Ortszeit).

Sarkozy "will nur unser Öl"

Gaddafi rief seine Anhänger auf, in Massen die monatelange Rebellion zu beenden. Er betonte, dass die Rede nicht aufgezeichnet war, sondern live gehalten wurde und nannte als Beweis dafür das aktuelle Datum und die Uhrzeit. Die europäischen Länder bezichtigte er, hinter dem libyschen Öl her zu sein. Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy "will unser Öl", sagte Gaddafi.

Der Übergangsrat der Rebellen hatte in den vergangenen Monaten mehrfach erklärt, für die Eroberung von Tripolis setzte man auf den "Kollaps des Regimes" und die Unterstützung durch "geheime Zellen" von Sympathisanten in Tripolis. In den vergangenen Tagen hatten die Rebellen auf ihrem Vormarsch nach Tripolis große Geländegewinne erzielt. Im Osten stehen ihre Truppen rund 40 Kilometer von der Hauptstadt entfernt.

Auch wirtschaftlich zeigen die internationalen Sanktionen gegen Libyen und das Vordringen der Rebellen auf die Hauptstadt Wirkung. Den Banken in Tripolis geht das Geld aus. Staatsangestellte bekommen derzeit keine Gehälter mehr ausgezahlt. "Seit Donnerstag haben wir kein Geld mehr und wir wissen auch nicht, wann sich das ändern wird", sagte ein Bankangestellter in Tripolis am Samstag der dpa. Treibstoff und andere Güter sind schon länger knapp.

Frühere Nummer zwei des Regimes flüchtet

Darüber hinaus gehen Gaddfi die Gefolgsleute aus. Die frühere Nummer zwei des libyschen Regimes hat sich nach Angaben der tunesischen Nachrichtenagentur TAP offenbar abgesetzt und ist nach Italien weitergereist. Abdel Salam Dschallud sei vom Flughafen der Insel Dscherba aus nach Italien gestartet, hieß es am Samstag. Den Aufständischen in Libyen zufolge hat sich der frühere Ministerpräsident von Staatschef Muammar al Gaddafi losgesagt.

Dschallud hatte Gaddafi bei dessen Putsch 1969 maßgeblich unterstützt. Er war zwei Jahrzehnte lang der engste Vertraute des Staatschefs, bis beide sich in den 90er Jahren zerstritten.

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8 Kommentare

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  • M
    Mohammad

    Ich hoffe die libyschen Truppen werden ihr Land vor den antisozialistischen Rebellen sowie den imperialistischen Truppen befreien! Für ein geeintes Libyen unter Gaddafi!

  • K
    Ökomarxist

    Wenn die libyschen Banken kein Geld mehr haben, lohnt es sich nicht weiter zu kämpfen. Denn ihr Revolutionsführer Gaddafi ist samt Familie angeblich auf der Flucht nach Algerien. Der Bürgerkrieg ist bald zu ende .Denn die meisten Kämpfer Gaddafis waren Söldner die nur für Geld kämpfen. Dann ist endlich Frieden in Libyen. Hoffentlich können dann alle Libyer friedlich zusammenleben.

  • V
    vic

    Ich glaube, für die Libyer die einfach nur leben wollten, spielt es keine Rolle wer sie umbringt.

    Gaddafi-Anhänger, Rebellen, oder die NATO.

  • K
    Krampe

    Ich möchte daran erinnern, dass, wenn es nach der Mehrheit der hierzulande geäußerten Meinungen gegangen wäre, Gaddafi weiterhin unumschränkter Herrscher Libyens mitsamt seinem Sand, Öl und Gefängnissen bleiben würde. Soviel zum Freiheitsbegriff pazifistischer Händler.

  • DG
    Der General

    Es stellt sich bald heraus, dass die Weigerung Deutschlands bei diesem Freiheitskampf mitzuwirken keine gute Idee war. Die Rebellen haben so gut wie gewonnen, der Diktator wird verjagt. Die Unterstützung von Menschenrechten und Demokratie sieht anders aus, als was die deutsche Regierung hier veranstaltete.

  • K
    Klaro

    Die taz bringt es tatsächlich, in so einem Artikel mit keinem Wort die NATO-Bomber zu erwähnen. Die NATO wurde von den USA zu einem Instrument des Angriffskrieges, die (linke?) taz ist ihr Propagandaorgan.

  • RD
    Richard Detzer

    Es ist schon ein großer Irrtum, Machthaber und Wahnpolitiker einschließlich ihrer Parteien einer Nation oder einem Volk gleich zu setzen. Im Westen haben wir überall die gleichen Probleme, nur trauen wir uns nicht.

  • F
    Florentine

    Die taz im Endkampf. Weht dann die tazsche Fahne über Tripolis? Frau Pohl, tief verschleiert, hält die Siegrede?