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Krieg in Kinderschuhen

Der russische Fotograf Michail Trachman hat im Zweiten Weltkrieg Partisaneneinheiten bei ihrem Kampf gegen die deutsche Wehrmacht begleitet. Jetzt werden die Dokumentaraufnahmen im Deutsch-Russischen Museum Berlin-Karlshorst gezeigt

von ANDREAS HERGETH

Der Junge ist vielleicht zwölf Jahre alt. Er hält ein Gewehr in den Händen und guckt mit weit aufgerissenen Augen in die Kamera. In seinem Blick sind Trauer und Angst und kein bisschen Stolz, obwohl Pjotr gerade eine Auszeichnung für tapferes Kämpfen in einer Partisanenabteilung erhält. Das Bild des Kinderpartisanen entstand 1942 bei Nowgorod, im Nordwesten Russlands. Der Kriegsfotograf Michail Trachman hat es mit seiner Leica aufgenommen. Vom Beginn bis zum Ende des Krieges hielt er den schrecklichen Alltag an zahlreichen Kriegsschauplätzen wie dem belagerten Leningrad, in Polen und Ungarn fest.

Den Kern der Arbeiten Trachmans, der von 1918 bis 1976 gelebt hat, bilden die Fotografien aus der Welt der Partisanen hinter der deutschen Front, die zu den wenigen Bildzeugnissen dieser Art gehören. In der Sonderausstellung „Diesseits – jenseits der Front“ zeigt das Deutsch-Russische Museum Berlin-Karlshorst eine repräsentative Auswahl dieser Dokumente, im gleichnamigen Bildband sind noch weit mehr Fotografien von Trachman versammelt. Die Absicht der auftraggebenden Nachrichtenagentur war es, ein propagandistisches Bild vom Partisanen zu schaffen, der erfolgreich gegen den Faschismus kämpfte und dabei breite Unterstützung durch die Bevölkerung der deutsch besetzten Gebiete erfuhr. Dafür standen Aufnahmen von heldenhaft durch den Sumpf marschierenden Partisanen oder das Porträt eines alten Greises mit erhobenem Haupt und einer Kalaschnikow über der Schulter.

Es spricht für die künstlerischen Fähigkeiten und auch für die Ehrlichkeit des Fotojournalisten Trachman, dass bei vielen seiner Aufnahmen trotz erkennbarer propagandistischer Absicht ganz andere Aussagen in den Vordergrund treten. Etwa bei den bedrückenden Bildnissen eben jener Kinderpartisanen, die mehr als Opfer denn als Helden erscheinen. Oder in den Aufnahmen, die ungeschönt den harten und meist qualvollen Alltag der Partisanen zeigen.

Erschütternd sind die Bilder im Kampf getöteter Partisanen und die Serie „Partisanen auf dem Marsch“. Immer wieder sind Verletzte zu sehen, die nicht einfach zurückgelassen wurden, wenn der Tross weiterzog. „Man bemüht sich hier sehr um die Verletzten“, hat Michail Trachman dazu in sein Tagebuch geschrieben. „Die Lage von T. ist hoffnungslos. Er hat Hirnverletzungen, isst nicht, kann nicht hören, nicht sehen, und man kann ihn nicht behandeln, und trotzdem schleppen wir ihn mit uns.“

Das fotografische Partisanen-Epos zeigt zudem einfühlsam, wie menschliches Leben auch unter menschenfeindlichen Bedingungen möglich war. Da werden in der Sonne Schuhe sitzend repariert, Kinder bestaunen ein Maschinengewehr, eine Sanitäterin liest in einem Buch, eine andere hält ein Nickerchen. Ein glücklich lächelndes Partisanenpaar posiert vor einer selbst gezimmerten Hütte im Wald. Die Aufnahme entstand 1943 in Weißrussland. Wie lange war es den Verliebten wohl vergönnt, ihr Glück zu leben?

Bis 14. 7., Di–So, 10–18 Uhr, Deutsch-Russisches Museum Berlin-Karlshorst, Zwieseler Straße 4. Zur Ausstellung ist der Begleitband „Diesseits – jenseits der Front“ erschienen, Espresso Verlag Berlin, 111 Seiten, 18,90 €

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