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Krieg in GazaLastwagenkonvoi geplündert

200 Tonnen Nahrungsmittel sollten in den Gazastreifen gelangen, wurden jedoch von Israel abgewiesen. Verzweifelte Menschen plünderten die Lastwagen.

5. März 2024: ein Militärflugzeug hat Pakete mit Hilfslieferungen über Gaza abgeworfen Foto: Amir Cohen/reuters

Kairo/Gaza dpa | Ein Lastwagenkonvoi mit Lebensmitteln für die Menschen im Norden Gazas wurde nach Angaben des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen von israelischen Soldaten abgewiesen und anschließend von einer verzweifelten Menschenmenge geplündert.

Wie das Welternährungsprogramm (WFP) am Dienstag in Rom mitteilte, bestand der Konvoi mit Lebensmitteln aus 14 Lastwagen. Er sei von den israelischen Streitkräften nach einer dreistündigen Wartezeit am Kontrollpunkt Wadi Gaza abgewiesen worden. Die Lkws seien umgeleitet worden. Kurz darauf habe eine große Menge „verzweifelter Menschen“ die Lastwagen gestoppt und geplündert. Sie hätten etwa 200 Tonnen mitgenommen, hieß es.

Am selben Tag hatten Jordanien, die USA und weitere Nationen die bisher umfangreichsten Hilfslieferungen aus der Luft koordiniert. Die Vereinten Nationen drängen aber darauf, auch die Hilfslieferungen per Lastwagen auszuweiten. Nur so könne eine Hungersnot in Gaza abgewendet werden.

Im Ringen um eine vorübergehende Waffenruhe im Gaza-Krieg wollen die Vermittlerstaaten kurz vor Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan mit aller Macht doch noch eine Einigung zwischen Israel und der islamistischen Hamas erzielen. Die USA brachten im Weltsicherheitsrat einen veränderten Resolutionsentwurf mit der Forderung nach einer „sofortigen Waffenruhe“ ein. In der Beschlussvorlage für das mächtigste UN-Gremium heißt es, es brauche „zügig und dringend eine Vereinbarung über einen sofortigen Waffenstillstand von etwa sechs Wochen in Gaza und die Freilassung aller Geiseln“.

Waffenruhe vor Ramadan laut Biden dringend nötig

US-Präsident Joe Biden betonte am Dienstag, eine vorübergehende Waffenruhe vor dem in wenigen Tagen beginnenden Ramadan sei dringend nötig. Um Zeit für Gespräche über eine längere Waffenruhe zu gewinnen, schlugen die Unterhändler der USA, Katars und Ägyptens laut dem Wall Street Journal in Kairo eine erst mal kurze Feuerpause vor.

Die Gespräche in Ägyptens Hauptstadt sollen am Mittwoch weitergehen. „Wenn wir in Umstände geraten, unter denen das bis Ramadan weitergeht, dann könnte es sehr, sehr gefährlich werden“, sagte Biden im US-Bundesstaat Maryland. Der Ramadan beginnt um den 10. März. „Der Geisel-Deal ist im Moment in den Händen der Hamas“, ergänzte Biden.

Israel und einige Unterhändler glaubten, dass die Hamas die Kämpfe eskalieren lassen wolle, um die Spannungen in der ganzen Region während des für Muslime heiligen Fastenmonats anzuheizen, schrieb das Wall Street Journal. Die Hamas verweise ihrerseits auf die Drohung Israels, die geplante Bodenoffensive in Rafah an der Südgrenze Gazas zu starten, falls bis zum Ramadan keine Einigung zustande kommt. Israel will in Rafah die letzten verbliebenen Bataillone der Hamas zerschlagen. In der an Ägypten grenzenden Stadt suchen derzeit rund 1,5 Millionen Palästinenser Schutz vor den Kämpfen in anderen Teilen Gazas.

Um eine Eskalation der Spannungen zwischen Israelis und überwiegend muslimischen Palästinensern zu verhindern, will Israels Regierung Muslimen im Ramadan das Beten auf dem Jerusalemer Tempelberg vorerst ermöglichen. Während des Ramadan werde ihnen der Zugang zu den Heiligtümern ähnlich wie in den vergangenen Jahren gewährt, teilte das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Dienstagabend mit. Allerdings werde die Sicherheitslage wöchentlich neu bewertet.

Indirekte Gespräche zwischen Israel und Hisbollah geplant

Rechtsextreme Koalitionspartner von Netanjahu hatten verlangt, den Zugang der Muslime zum Tempelberg im Ramadan massiv einzuschränken. Die Armee und Geheimdienste rieten hingegen davon ab. Derartige Einschränkungen könnten eine explosive Situation heraufbeschwören, argumentierten sie. Der Tempelberg, auch Haram al-Scharif genannt, ist sowohl Juden als auch Muslimen heilig.

Während des Ramadan sollen nach libanesischen Angaben auch indirekte Gespräche im Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz im Süden Libanons beginnen. Das kündigte der geschäftsführende libanesische Regierungschef Libanons Nadschib Mikati nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur NNA am Dienstag an.

Libanesische Beamte prüften einen Vorschlag des US-Gesandten Amos Hochstein, eines Beraters von US-Präsident Joe Biden, der am Tag zuvor zu Gesprächen in der libanesischen Hauptstadt Beirut gewesen war. Es gehe um eine diplomatische Lösung zwischen der Hisbollah-Miliz und Israel, hieß es. Seit Beginn des Gaza-Kriegs nach dem Massaker der mit der Hisbollah verbündeten Hamas und anderer extremistischer Gruppen in Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres kommt es in der israelisch-libanesischen Grenzregion immer wieder zu gegenseitigem Beschuss.

Derweil sind die Telekommunikationsdienste im Gazastreifen Berichten zufolge erneut ausgefallen. Betroffen sei besonders der südliche Teil des abgeriegelten Küstengebiets, teilte die Organisation NetBlocks, die für die Beobachtung von Internetsperren bekannt ist, am späten Dienstagabend auf der Plattform X (vormals Twitter) mit.

Auch die israelische Nachrichtenseite Ynet meldete unter Berufung auf Berichte aus dem Gazastreifen, die Internetverbindungen in weiten Gebieten in Rafah im Süden des Küstenstreifens sowie im zentralen Teil Gazas seien unterbrochen. Seit Beginn des Krieges sind die Kommunikationsnetze in dem abgeriegelten Küstengebiet schon mehrfach ausgefallen.

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8 Kommentare

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  • Was keiner berichtet, ist, dass die Israelis täglich ca. 200 LKW‘s in den Gazastreifen lassen. Diese 14 Lastwagen, von denen hier die Rede ist, hatten wohl Sicherheitsauflagen nicht erfüllt. Auch an der Versorgung aus der Luft ist die israelische Luftwaffe beteiligt, ebenso wie Jordanien, etc.

    • @davber:

      Ich habe noch nichts davon gehört, dass Israel an der Versorgung aus der Luft beteiligt sei. Meinen Sie damit, dass es den Überflug erlaubt?

  • "200 Tonnen Nahrungsmittel sollten in den Gazastreifen gelangen, wurden jedoch von Israel abgewiesen." - das klingt so, als ob Israel die LKWs nicht in den Gazastreifen fahren lassen wollte. Das ist aber nicht wahr. Der Kontrollpunkt Wadi Gaza liegt nämlich mitten im Gazastreifen. Die LKWs wurde also von Israel gar nicht abgewiesen. Es ging wohl eher um die Frage, wo genau im Gazastreifen sie entladen werden sollten. Diese Klärung hat die verzeifelte Menge nicht abwarten wollen. Kann man verstehen, ist aber eine ganz andere Nachricht als die angebliche Abweisung.

    • @Winnetaz:

      Die Lieferungen waren für den Norden des Gazastreifens, Gaza, bestimmt. Für den Teil, in dem die Not am größten ist. Israel hat verhindert, dass sie in den Norden geliefert werden

  • Also ganz ehrlich ich weis nicht ob ich das Wort "plündern" in diesem Zusammenhang angebracht finde. Die taz hat ja selber berichtet das die Kontrollen der Israelis was die Trucks angeht intransparent sind und teilweise ganze Ladungen abgewiesen werden, nur weil sie ein oder zwei Produkte darauf nicht nach Gaza lassen wollen. In der Vergangenheit waren das selbst Krücken, Sauerstoff- und Anästhesiemaschinen, Zelte wegen der Zeltstangen, tabletten zur Wasserreinigung etc... Plünderungen passieren in Kriegszeiten wenn in Geschäfte eingebrochen wird und Sachen gestohlen werden. Das waren Hilfslieferungen und wie sie selber schreiben Lebensmittel, die eh für die Menschen bestimmt waren und aus welchen Gründen auch immer (siehe Intransparenz) abgewiesen wurden. Hungernde und verzweifelte Menschen, die sich nicht bereichert haben durch diese "Plünderungen", sondern sich und ihren Familien vielleicht für ein paar Tage das Überleben gesichert haben.

    • @Momo Bar:

      Im der Pressemitteilung der WFP de.wfp.org/pressem...gen-nach-nord-gaza, meines Wissens nach die Grundlage des dpa Artikels, wurden bestimmte Dinge, u.a. wie z.b. die Verzögerung Zustande gekommen ist, gar nicht erläutert. Habe dem WFP zwei E-Mails geschrieben um noch genauere Informationen zu erhalten, eine Antwort habe ich bekommen, die Rückfrage auf selbige wurde noch nicht beantwortet. Kerninformation ist das die Hilfslieferung eben den Wadi Gaza nach drei Stunden Wartezeit nicht an einem bestimmten Kontrollposten überschreiten konnte, eine genauere Begründung gab es nicht. Theoretisch wäre ja trotz allem auch möglich das die IDF die Weiterfahrt unterbindet da nördlich Militär aktiv ist. Auf die schnelle kann man auch nicht ohne direkte Anfragen an z.b. andere UN Stellen rausfinden, ob die auf einen anderen Kontrollpunkt umgeleitet worden sein kann. In der WFP Pressemitteilung ist aber halt auch von umgeleitet gesprochen worden.



      Ich denke persönlich schon das die Pressemitteilung konkretere Informationen hätte enthalten können, sowie durchaus genauer ausformuliert sein können.

      Nebeninformation: Im gleichen Zusammenhang hat die Zeit in ihrem Blog zu den Thema Bilder veröffentlicht, wobei dazu, laut E-Mail, von Seite der WFP gar keine Bilder veröffentlicht wurden. Und bei den Bildern Zeit ist auf einem Lastwagen eine bewaffnete Person. Wobei es laut der WFP keine eigene bewaffnete Begleitung gibt.



      Man kann natürlich der IDF eine E-Mail schreiben und da Nochmal um Informationen bitten, habe ich aber bisher nicht gemacht. Aber sollten bewaffnete Personen die Hilfslieferung geplündert haben spricht das m.E. nach eher gegen einen bestimmten Teil oder eine Gruppe der Bewohner des Gazastreifens.

      Mehr genaue Informationen wären schön, und das Betrifft auch alle UN Stellen. Zumal nicht ausgeschlossen werden kann, eher gegenteilig, das sich die Hamas auch militärisch Reorganisiert bzw.dies versucht.

      • @serious?:

        Es gibt keine eigene Begleitung in Form von UN-Soldaten oder Security-Teams für die Lastwagen des WFP, aber es stimmt nicht das es gar keine Begleitung gibt. Bis vor wenigen Wochen hat die Polizei in Gaza oft die Sicherung der Konvois übernommen. Die meisten Polizisten und Sicherheitskräfte haben aber inzwischen ihre Posten verlassen. Ich glaube es wurde erst letzte Woche berichtet (amerikanische medien), das allein in Rafah 11 Polizisten wohl durch die IDF getötet wurden, da sie ihnen vorwerfen zu Hamas zu gehören. Das kann ich nicht beurteilen. Immerhin war Hamas nunmal die gewählte Regierung und war damit wie alle Regierungen für die Polizei verantwortlich. Ob es sich dabei um Mitglieder der Partei, des paramilitärischen Arms oder eben einfach Zivilisten handelt weiß ich nicht. Fakt ist die Palestinenser eskortieren/ schützen die Trucks nicht mehr- es sind ja im Grunde alle Strukturen zusammengebrochen. Soweit ich aber bisher gelesen habe, soll die IDF jetzt für die Sicherung der Trucks zuständig sein. Das hat man auch vor ein paar Tagen gesehen als bei einem anderen Vorfall über 100 Menschen getötet wurden. Und ich habe gerade auf mehreren Newsseiten geschaut, amerikanische und britische, sowie auch Al Jazeera (auch wenn das nicht gern gesehen wird, aber die sind so ziemlich die einzigen mit Reportern in Gaza und können zumindest Bild- und Videomaterial liefern was unsere Medien eben nicht können) und habe kein Bild gefunden auf dem jemand bewaffnet ist, es gibt allgemein nicht wirklich Bilder von diesem Vorfall, was auch mit dem erneuten Ausfall des Internets zusammenhängen kann, wie hier berichtet wird. Sicher das es kein altes Bild ist was die Zeit benutzt hat? Ist mir nämlich bei mehreren Artikeln aufgefallen, dass alte Aufnahmen benutzt werden (steht dann allerdings meist auch darunter)?

        • @Momo Bar:

          Ich möchte ihnen nach Möglichkeit später nochmal genauer antworten. Ich hatte versucht mit quellen bzgl. der Bilder zu kommentieren, das wurde aber bisher nicht veröffentlicht. Auch würde ich auf die Möglichkeit der Strategie der Hamas eingehen wollen, die Opfer der eigenen Bevölkerung ja in Kauf nimmt. Quasi auch bewusst und gezielt.Wenn dort Anomie vorliegt, hängt das ja auch mit den verhalten der Bevölkerung untereinander zusammen, einschließlich der Hamas oder generell bewaffneter Personen/Gruppen.



          Und von dem Zustand Profitiert die Hamas, unter ihren ideologischen Bedingungen, maximal. Sollte Israel für die Absicherung von Hilfskonvois zuständig sein gilt dies dafür genauso, da bitte ich auch um eine Quelle.

          Die einfachste und schnellste Möglichkeit zur Deeskalation hat die Hamas mit der sofortigen bedingungslosen Freilassung der Geiseln oder Generell der bedingungslosen Kapitulation. Die umgehende Freilassung der Geiseln wurde ja u.a. auch von der WFP schon Mitte Februar gefordert.

          In meiner persönlichen Meinung nach gehört die Hamas aktuell ihrer Militärischen Mittel im Gazastreifen vollständig entzogen, zerschlagen, und die Verantwortlichen und Beteiligten des genozidialen Massakers zur Verantwortung gezogen.

          Ich habe die Zeit darum gebeten mir per Mail mitzuteilen wie die Bilder zustande gekommen sind bzw. woher die stammen. Habe bisher leider keine Antwort bekommen

          Und wenn sie Quellen haben bitte ich sie darum die Anzugeben. Sollten sie Al Jazeera verwenden, würde ich mir schon vorbehalten alle vergleichbar "neutrale" Quellen zu verwenden.

          Gerne auch Absätze im Text benutzen.