Krieg im Kaukasus: Georgien zieht sich zurück

Zwar hat Georgien die Truppen aus Südossetien abgezogen und eine Waffenruhe verkündet. Doch nun macht die abtrünnige Region Abchasien mobil.

Russische Panzer rücken in die südossetische Hauptstadt Tskhinvali vor. Bild: dpa

TIFLIS ap/rtr/dpa Die militärische Eskalation um die abtrünnigen Regionen Südossetien und Abchasien mit deren Schutzmacht Russland im Hintergrund hat Georgien am Wochenende an den Rand eines offenen Zweifrontenkriegs gebracht. Georgien verhängte das Kriegsrecht, Abchasien ordnete eine militärische Mobilmachung an, um von Georgien gehaltenes Gebiet zurückzuerobern. Am Sonntagnachmittag verkündete Georgien eine einseitige Waffenruhe. Zugleich forderte man Moskau auf, unverzüglich Gespräche über ein Ende der Kämpfe aufzunehmen. Russland bestätigte den Erhalt einer entsprechenden Note, kritisierte zugleich aber die angebliche Fortsetzung von Kampfhandlungen durch Georgien. Am Sonntag flog auch der französische Außenminister und amtierende EU-Ratsvorsitzende Bernard Kouchner nach Tiflis. Dort und in Moskau will er sich für einen sofortigen Waffenstillstand einsetzen.

Georgien hat seine Truppen nach Angaben von Sicherheitschef Alexander Lomaia inzwischen aus Südossetien abgezogen. Die Soldaten seien an neuen Positionen außerhalb des Gebiets zusammengezogen worden. Zuvor hatte Tiflis nach heftigen Kämpfen mit den russischen Streitkräften bereits den Rückzug aus der südossetischen Hauptstadt Zchinwali bestätigt.

Tiflis sieht Moskau als treibende Kraft des Konflikts. Nach georgischen Angaben wurden bislang 6.000 russische Soldaten sowie Panzer und schweres Gerät nach Südossetien und 4.000 weitere nach Abchasien verlegt.

Nach Angaben Moskaus sind bei den Kämpfen bislang mindestens 1.500 Menschen getötet worden. Zchinwali wurde laut Zeugenberichten nahezu vollständig zerstört. Auch bei einem russischen Angriff auf die georgische Stadt Gori am Samstag sollen zahlreiche Zivilisten getötet und verletzt worden sein. Nach offiziellen georgischen Angaben hat Russland bislang 15 Städte bombardiert. Diese Angaben konnten zunächst nicht bestätigt werden. Die Regierung in Tiflis sprach von einem "vollständigen Krieg Russlands gegen Georgien". Südossetien und Abchasien haben sich Anfang der 1990er-Jahre von Georgien abgespalten und sind seither de facto unabhängig. International gelten beide Regionen als Teil Georgiens, werden aber von Moskau unterstützt.

Zum ersten Mal griff die russische Luftwaffe am Sonntagmorgen ein Ziel in Tiflis an. Sie bombardierte ein Werk, in dem Kampfjets vom Typ Su-25 produziert werden. Verletzt wurde nach georgischen Angaben niemand. Wie das georgische Innenministerium mitteilte, wurden das Werk und ein Militärflughafen am Sonntagabend erneut bombardiert.

Unterdessen begann die russische Marine laut der Nachrichtenagentur Interfax, den georgischen Zugang zum Schwarzen Meer zu blockieren, um eine Belieferung georgischer Häfen mit Waffen oder anderen Gütern zu verhindern.

In Abchasien kam es bereits am Samstag zu ersten Kämpfen um das von Georgien kontrollierte nördliche Kodori-Tal. Die vom abchasischen Präsidenten Sergei Bagapsch am Sonntag angeordnete Mobilmachung und die Verhängung eines elftägigen Kriegsrechts setzten Tiflis weiter unter Druck. Zuvor hatte Bagapsch bereits die Eroberung des von Georgien kontrollierten Kodori-Tals in Abchasien angekündigt. Die georgische Regierung wirft Russland die Erstürmung des Tals vor. Es liegt im Nordosten Abchasiens an der Grenze zu Russland und in unmittelbarer Nähe zu georgischen Gemeinden.

Den Angaben nach sind russische Truppen und Artillerie-Einheiten auf dem Weg in das Flusstal. Zuvor hatten bereits Vertreter der prorussischen Separatisten die Verlegung von 1.000 Kämpfern in die Region angekündigt. Die georgische Polizei, die im Kodori-Tal unter anderem eine progeorgische Parallelregierung schützt, hat nach eigenen Angaben begonnen, Zivilisten in Sicherheit zu bringen.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ist am Sonntagabend erneut zu Beratungen über die Lage in Georgien zusammengetreten. Bisher konnte sich das höchste UN-Gremium trotz dreimaliger Beratungen nicht auf eine gemeinsame Linie verständigen. Die Vetomacht Russland widersetzte sich der internationalen Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand.

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