Krieg im Irak: Saddams Geburtsort heftig umkämpft
Um Tikrit toben schwere Gefechte zwischen Armee und Isis. Ein Spitzenmilitär plädiert für die Aufteilung des Irak in Autonomieregionen. Die Russen liefern Kampfjets.
TIKRIT/BAGDAD/DUBAI dpa/rtr/afp | Einen Tag nach dem Beginn einer Offensive der irakischen Armee auf Tikrit gehen die Kämpfe mit den Isis-Milizen um die Stadt weiter. Regierungssoldaten kontrollierten die Universität des Geburtsortes von Ex-Diktator Saddam Hussein vollständig und hätten dort die irakische Flagge gehisst, sagte der Sprecher des irakischen Militärs am Sonntag in Bagdad. Mehr als 70 „Terroristen“ der Gruppe Islamischer Staat im Irak und in Syrien (Isis) seien getötet worden.
Allerdings hatte es schon am Freitag geheißen, irakische Soldaten hätten die Universität von Tikrit eingenommen. Mit der Rückeroberung der Stadt will das Militär den Isis-Vormarsch auf Bagdad stoppen.
Sollten die Aufständischen Tikrit halten, könnten sie von hier möglicherweise sehr schnell sehr nah an Bagdad heranrücken. Nächste Ziele wären die Stadt Samarra, ein Pilgerort der Schiiten, und der Militärflugplatz Al-Balad, früher eine wichtige US-Basis und ebenfalls ein Ziel von entscheidender strategischer Bedeutung. Auch hier soll Isis schon Angriffe unternommen haben.
Um Bagdad selbst hat die irakische Armee mehrere Verteidigungsgürtel gezogen, um Isis-Attacken abzuwehren. Vier Divisionen zu je 15 000 Mann seien im Einsatz, sagte der Leiter des irakischen Krisenstabes, General Ali al-Saidi, der Welt am Sonntag: „Das sind Elitetruppen. Dazu kommen die Freiwilligen, die immer mehr werden.“ Bagdad, da ist sich der General sicher, werden die Isis-Kämpfer nicht erobern.
Isis-Extremisten haben in Syrien nach Angaben von Menschenrechtlern neun Menschen getötet und gekreuzigt. In Deir Hafer im Osten der Provinz Aleppo habe Isis am Samstag acht rivalisierende Aufständische hingerichtet, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Sonntag. Die Männer seien anschließend auf dem zentralen Platz des Dorfes ans Kreuz geschlagen worden und sollten dort drei Tage lang hängen bleiben. Ein neunter Mann sei in Al-Bab nahe der türkischen Grenze exekutiert und gekreuzigt worden. (afp)
General Ali al-Saidi spricht sich auch für die Aufteilung des Landes in autonome Teilgebiete aus. Schiiten, Sunniten und Kurden sollten jeweils ihre eigene Region erhalten, sagte der schiitische General der Welt am Sonntag. Das sei „die einzige Lösung“, um der Dschihadistengruppe Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien den Rückhalt bei der sunnitischen Minderheit zu entziehen. Al-Saidi kritisierte, dass die Sunniten seit dem Sturz von Machthaber Saddam Hussein zu weit marginalisiert worden seien.
„Natürlich können sie nicht, wie früher, den gesamten Irak regieren, aber zumindest sich selbst“, sagte der General. Ihrerseits müssten auch die Schiiten im Süden eine autonome Region erhalten.
„Isis macht nur etwa zehn Prozent der Kämpfer aus. Die Hauptrolle spielen sunnitische Stämme und die Baath-Partei des gestürzten Diktators Saddam“, sagte al-Saidi der Welt am Sonntag. Nach Einschätzung des Generals ist al-Maliki durch die Isis-Offensive stark geschwächt. „Man kann davon ausgehen, dass er nicht mehr die entscheidende Rolle spielt, die er bisher hatte“, sagte al-Saidi. Al-Maliki hatte die Parlamentswahl Ende April gewonnen, doch wurde noch keine neue Regierung gebildet. Die USA, aber auch der Iran fordern die Bildung einer Regierung unter Beteiligung aller Volksgruppen.
Iran notfalls zur Unterstützung des Irak bereit
Die irakischen Streitkräfte haben nach eigenen Angaben eine erste Lieferung von fünf gebrauchten russischen Kampfflugzeugen erhalten. Die Jets des Typs Suchoi Su-25 seien bald einsatzbereit, teilte das Verteidigungsministerium in Bagdad am Sonntag mit. Die Flugzeuge sollen die irakischen Truppen im Kampf gegen die extremistischen Isis-Milizen unterstützen.
Regierungschef Nuri al-Maliki hatte in der vergangenen Woche der BBC gesagt, der Irak habe sich mit Russland und Weißrussland über den Kauf der Kampfflugzeuge geeinigt. Das Geschäft soll laut dem Sender einen Umfang von rund 500 Millionen US-Dollar (rund 360 Millionen Euro) haben.
Das iranische Militär hat sich dazu bereit erklärt, die Regierung im Nachbarland Irak notfalls gegen die sunnitischen Rebellen zu unterstützen. Es würden dabei die gleichen Mittel angewandt wie in Syrien, sagte der iranische Brigadegeneral Massud Dschassajeri dem iranischen Fernsehsender Alam am späten Samstagabend. Details nannte der stellvertretende Generalstabschef nicht. Er verwies lediglich auf Geheimdienst und Volksverteidigungskräfte.
Dschassajeri zeigte sich aber zugleich überzeugt, dass die vom Schiiten Nuri al-Maliki geführte Regierung in Bagdad in der Lage sei, die vorrückenden Isis-Rebellen selbst zu bekämpfen.
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