: Kreuzberger dürfen mitrechnen
Nächstes Jahr will auch Friedrichshain-Kreuzberg den Bürgerhaushalt einführen. Anders als in den Vorreiter-Bezirken Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf sollen hier alle Bürger künftig entscheiden
VON NANA GERRITZEN
Wie viel wird für die Instandhaltung von Grünflächen ausgegeben? Wo sollen neue Radwege entstehen? Sollten mehr Gelder für die Sanierung eines Spielplatzes oder eines Seniorenheims bereitgestellt werden? Bisher ist der durchschnittliche Friedrichshainer oder Kreuzberger höchstens indirekt mit solchen Fragen in Berührung gekommen. Das soll sich ändern.
Ab 2008 will der Bezirk das Modell des Bürgerhaushalts schrittweise einführen. Dafür hat sich jetzt die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) in Friedrichshain-Kreuzberg ausgesprochen. Alle Fraktionen stimmten dem Vorschlag zu. Somit könnten Friedrichshainer und Kreuzberger schon im kommenden Jahr über einen Teil der kommunalen Ausgaben mitentscheiden. „Mit diesem Vorhaben setzt der Bezirk neue Maßstäbe“, sagt Kristine Jaath, grünes Mitglied im Haushaltsausschuss. Der Bürgerhaushalt in Friedrichshain-Kreuzberg solle Bürgern mehr Mitsprache ermöglichen als in Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf. Dort existiert das Modell bereits seit einem Jahr. Ziel der Kreuzberg-Friedrichshainer Grünen sei es, alle Bewohner des Bezirks an dem Projekt zu beteiligen. „Unabhängig von Alter und Staatsbürgerschaft soll jeder am Bürgerhaushalt mitentscheiden können“, sagt Sahib. „Wenn ein Zehnjähriger mitentscheiden möchte, wie viel für den Bau von Spielplätzen ausgegeben wird, dann soll er das auch können.“
Nach dem Vorbild der brasilianischen Stadt Porto Alegre, in der es das Haushalts-Mitspracherecht schon seit 1989 gibt, hat der Senat 2006 das Modell in Berlin eingeführt. Im Vorzeige-Bezirk Lichtenberg zum Beispiel entscheiden die Bürger über ein Haushaltsvolumen von 30 Millionen Euro. Allerdings ist die Beteiligung noch zaghaft. Obwohl sie vor Ort oder via Internet entscheiden können, wie der Bezirk seinen Etat verteilen soll, nahmen von den knapp 258.000 Lichtenbergern nur 1.291 am letzten Bürgerhaushalt im April teil.
Um den Menschen in Kreuzberg und Friedrichshain ihre neuen Rechte nahe zu bringen, plant der Haushaltsausschuss, noch in diesem Herbst einen für jeden verständlichen Haushaltsplan für das kommende Jahr zu erstellen. Als zweiten Schritt soll es schon im nächsten Frühjahr die Möglichkeit geben, Vorschläge in die Haushaltsplanung 2009 einzubringen. In der dritten Stufe sollen schließlich alle Bewohner den Haushaltsplan 2010 diskutieren und – wie bei einer Wahl – direkt über die Verteilung der Gelder mitentscheiden können. „Erst mal wird es um Mitbestimmung in den Bereichen Infrastruktur und öffentlicher Raum gehen“, erklärt Manuel Sahib, Fraktionsvorsitzender der Grünen in der BVV. So könnten die Bürger künftig über die Kostenverteilung bei der Schaffung und Instandhaltung von Grünflächen, Fuß- und Radwegen, öffentlichen Plätzen und Parks mitentscheiden.
Allerdings sei die Finanzierung noch nicht geklärt, kritisiert Edgar Glatzel (CDU). „Alle Bürger müssen hinreichend informiert werden, das kann teuer werden“, gibt das Mitglied des Haushaltsausschusses zu bedenken. Außerdem sei noch unklar, wie viel des Gesamtetats dem Bezirk für den Bürgerhaushalt zu Verfügung steht. Um den Weg zu ebnen, müsse nun das Bezirksamt aus der Vorlage ein finanzierbares Konzept machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen