Kremlkritiker Nawalny kehrt zurück: Zurück in die Heimat
Monate nach einer erlittenen Vergiftung will Alexej Nawalny nach Moskau zurückkehren. Von dort wird ihm bereits mit Prozessen gedroht.
„Russland ist mein Land. Moskau ist meine Stadt. Ich vermisse sie“, schreibt Alexei Nawalny in seinem Instagram-Account und fährt fort: „Am Sonntag, 17. Januar, kehre ich nach Hause zurück. Empfangt mich!“ Seit Monaten verweist Russlands bekanntester Oppositioneller darauf: Rückkehr oder nicht, das habe für ihn nie in Frage gestanden.
Er habe sein Land schließlich nie verlassen. Er sei nur deshalb in Deutschland gelandet, weil er in einer „Wiederbelebungskiste“ nach Berlin gekommen sei – wegen eines Mordanschlags. „Aber ich habe überlebt“, schreibt und sagt Nawalny.
Die Linienmaschine des staatlichen russischen Lowcosters „Pobeda“ (Sieg) soll am Sonntag um 17.20 Uhr (MEZ) am Moskauer Flughafen Wnukowo landen. „Hoffentlich kommt es bei der Reise zu keiner Stoffwechselstörung“, schrieb daraufhin ein Instagram-User ironisch.
Die russischen Ärzte hatten bei Nawalny nach seinem Zusammenbruch im Flugzeug genau diese diagnostiziert. Nur nach einem kräftezehrenden Hin und Her wurde der Kremlkritiker schließlich von Sibirien nach Berlin ausgeflogen. Die deutsch-russischen Beziehungen sind seitdem auf einem Tiefpunkt.
Anruf beim Killerkommando
Der 44-jährige Jurist, der im vergangenen August mit dem international geächteten und verbotenen Nervengift Nowitschok vergiftet worden war – wie gleich mehrere internationale Labore bestätigt haben –, hat sich bis zuletzt im Schwarzwald von den Folgen des Anschlags erholt.
„Nun bin ich fast gesund, habe heute Liegestütze gemacht, Kniebeugen, der Moment der Rückkehr ist da“, sagt Nawalny in seinem Video. „Himmel, wie mutig Sie doch sind, ich bin voller Bewunderung“, so oder ähnlich lauten die Kommentare unter seinem Post. Die meisten raten aber auch zur Vorsicht.
Ein internationales Rechercheteam hatte vor einigen Wochen zahlreiche erdrückende Indizien dafür vorgelegt, dass ein „Killerkommando“ in den Reihen des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB die ungeheuerliche Tat verübt haben soll.
Nawalny selbst hat in einer Art Telefonstreich einen der „Killer“ gestellt. Bei dem Gespräch hat der FSB-Offizier nahezu freimütig über die schiefgelaufene Operation gegen den Kremlkritiker berichtet. Nationale und internationale Experten halten die Aufnahme für glaubwürdig.
Putin höhnt. Putin droht.
Russische Behörden sehen derweil bis heute keinen Grund, den Anschlag auf Nawalny zu untersuchen. Der Kreml diffamiert seinen Gegner als CIA-Agenten, Präsident Wladimir Putin höhnt: „Wenn man es gewollt hätte, hätte man es zu Ende geführt.“
Erst am 28. Dezember hatte die russische Strafvollzugsbehörde FSIN erklärt, Nawalny verletzte die Bewährungsauflagen einer früheren Strafe. Dabei geht es um eine politisch motivierte Verurteilung aus dem Jahr 2014. Erscheine er bis zum auslaufenden Jahr nicht bei der Behörde, werde aus der Bewährung eine reale Strafe, so das Ultimatum.
24 Stunden später erklärte eine weitere Behörde, gegen Nawalny sei ein Verfahren wegen Unterschlagung von Spendengeldern in großem Umfang eingeleitet worden. Die drohende Botschaft: „Bleib, wo du bist. Andernfalls stehen die Türen der Strafkolonie offen.“
Nawalny aber lässt sich nicht einschüchtern. Mit seiner Ankündigung, zurückzukehren, zeigt er sich als Herr über sein eigenes Leben, der sich nicht vom Kreml fremdbestimmen lässt. Würde er am Flughafen vor internationalen Fernsehkameras abgeführt, wäre es der perfekte Beweis der Angst des russischen Regimes, das stets vorgibt, Nawalny sei ein Niemand.
Dieser „Niemand“, den der Kreml nie beim echten Namen nennt, entlarvt seit Jahren die russische Autokratie. Selbst zulasten seiner eigenen Freiheit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin