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Kreml-Kritiker Alexej NawalnyMit Nervenkampfstoff vergiftet

Der russische Regierungskritiker Nawalny wurde mit einem Nervenkampfstoff vergiftet. Die Bundesregierung verurteilt den Angriff „aufs Schärfste“.

Einsamer Protest in Sankt Petersburg am 20. August Foto: Roman Pimenov/ITAR-TASS/imago

Berlin dpa | Der russische Regierungskritiker Alexej Nawalny ist nach Untersuchungen eines Spezial-Labors der Bundeswehr mit dem chemischen Nervenkampfstoff Nowitschok vergiftet worden. Die Labortests hätten den „zweifelsfreien Nachweis“ darüber erbracht, teilte die Bundesregierung am Mittwoch mit. Regierungssprecher Steffen Seibert sprach von einem „bestürzenden Vorgang“. „Die Bundesregierung verurteilt diesen Angriff auf das Schärfste. Die russische Regierung ist dringlich aufgefordert, sich zu dem Vorgang zu erklären.“

Das Untersuchungsergebnis könnte die ohnehin schon schwer angeschlagenen Beziehungen zwischen Russland und Deutschland sowie anderen westlichen Staaten noch einmal massiv erschüttern. Ein Nervengift der Nowitschok-Gruppe wurde auch bei der Vergiftung des ehemaligen russischen Doppelspions Sergej Skripal und seiner Tochter Julia im britischen Salisbury 2018 verwendet. Die beiden überlebten nur knapp.

Als Reaktion hatten zahlreiche westliche Staaten russische Diplomaten ausgewiesen. Auch diesmal strebt die Bundesregierung ein abgestimmtes Vorgehen der westlichen Verbündeten an. Das machten der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, und Verteidigungs- Staatssekretär Gerd Hoofe in einer gemeinsamen Unterrichtung von Bundestagsabgeordneten nach Teilnehmerangaben deutlich.

Das Auswärtige Amt will den Botschafter Russlands über die Untersuchungsergebnisse unterrichten. „Ferner wird die Bundesregierung mit der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) Kontakt aufnehmen“, erklärte Seibert.

Russischer Botschafter einbestellt

Nawalny, der am 20. August auf einem Flug in seiner Heimat plötzlich ins Koma gefallen war und zunächst in Omsk untersucht wurde, wird auf Drängen seiner Familie in der Charité behandelt. Die deutschen Ärzte gingen nach einer Auswertung von klinischen Befunden bereits davon aus, dass Nawalny vergiftet wurde. Die russische Regierung hatte die Einschätzung der Berliner Charité, dass Nawalny vermutlich vergiftet wurde, als vorschnell bezeichnet.

Das Auswärtige Amt hat wegen der neuen Untersuchungsergebnisse den russischen Botschafter einbestellt. „Ihm wurde dabei nochmals unmissverständlich die Aufforderung der Bundesregierung übermittelt, die Hintergründe dieser nun nachweislichen Vergiftung von Alexej Nawalny vollumfänglich und mit voller Transparenz aufzuklären“, sagte Außenminister Heiko Maas (SPD) am Mittwoch in Berlin.

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7 Kommentare

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  • Mehr Sanktionen gegen Russland!

    • @John Farson:

      Sanktionen gegen ein Land und seine Menschen haben noch nie etwas Positives bewirkt. Über Sanktionen gegen einzelne Personen oder Firmen erreicht man eher etwas. Allerdings läuft man immer Gefahr, das Personen oder Firmen, die auf der "eigenen Seite" stehen und die einem wichtig sind, von Gegensanktionen betroffen sein könnten. Das ist ein Last-Man-Standing-Spiel. Alternativen? Wenige. Dieses "Wie du mir, so ich dir" war bisher immer Blödsinn. Wir sehen seit Jahren, wie man auf allen Seiten der Gräben nur noch im Kreis läuft. Es scheint sich niemand mehr zuzutrauen, "auf Reset" zu drücken. Aber erst dadurch könnte es einen neuen Anfang vor dem Hintergrund des in der Vergangenheit Gelernten geben. Milliarden Menschen auf dieser Welt wären sehr dankbar.

      • @Eistaucher:

        Ja Danke für ihre klare Meinung!

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    Naja, und gerade haben 75 Parteimitglieder der Linken einen Aufruf zur Aufkündigung der Nato und Zusammenarbeit mit Demokratien und dafür zur Summenarbeit mit der Diktatur Russland in die Welt gesetzt.

    • @02854 (Profil gelöscht):

      ...das sind 0,13% aller Mitglieder der Partei. 99,87% Restliche müssten noch überzeugt werden. Abgesehen davon, dass man diskutieren sollte, was nun die Nato, wenn sie einbezogen ist, in diesem Fall unternehmen soll, wird man um eine wie auch immer geartete "Zusammenarbeit" mit Russland nicht herumkommen.

  • "Die Bundesregierung verurteilt den Angriff „aufs Schärfste“." So und jetzt? Noch ein paar Sanktionen gegen Putin oder wie? Prima, freuen sich Trump und co. Keine Ahnung wer den Mann vergiftet hat, möglich dass es Putins Schergen waren. Aber trotzdem: Immer erst vor der eigenen Haustüre kehren. Es ist genug Dreck da.

    • @joaquim:

      @JOAQUIM: Ist das jetzt der Startschuss für die Putin-Trolle?