Krebsmittel-Ring aufgeflogen: Chemo ohne Wirkung

Ein krimineller Pharmaring hat Krebsmedikamente aus griechischen Krankenhäusern gestohlen und nach Deutschland geschmuggelt.

Hände in Gummihandschuhen setzen eine Spritze an einer Schulter an

Zu wenig? Patienten in Griechenland wurden zu geringe Dosen an Krebsmitteln verabreicht Foto: dpa

ATHEN taz | In Griechenland sind zahlreiche KrebspatientInnen einer Pharmabande zum Opfer gefallen. Wie viele Patienten betroffen sind, ist noch völlig unklar. Klar ist aber: Die Folgen des kriminellen Geschäfts mit illegal in Umlauf gebrachten Arzneimittel zieht weite Kreise.

Die griechische Polizei hat schon im Mai dieses Jahres 21 Personen im Alter zwischen 22 bis 70 Jahren festgenommen. Weitere 14 Personen sind angeklagt.

Kopf des kriminellen Pharmarings ist der 70-Jährige Deyab Hussein, der aufgrund seiner Herkunft „Der Ägypter“ genannt wird. Weitere Gründungsmitglieder sind der 64-Jähriger Manolis Barberis, der seinen Wohnsitz in Deutschland hat und „Der Grieche“ genannt wurde sowie ein weiterer Mann der den Codenamen „Motoradfahrer“ benutzt haben soll.

Hussein, der als Manager der Bande gilt, importierte zahlreiche Medikamente aus Griechenland per Flugzeug nach Deutschland – in seinem persönlichen Gepäck. In Deutschland hatte er ein Versandlager. Man geht davon aus, dass FlughafenmitarbeiterInnen geschmiert worden sind. Auch wurden Medikamente in Lastwagen illegal ins Ausland transportieren.

Zu geringe Dosen

Das Netzwerk in Griechenland war perfekt ausgearbeitet und reichte von PflegerInnen und ÄrztInnen bis hin zu ApothekerInnen. Den Beteiligten drohen nun bis zu 11 Jahre Haft. Umschlagplatz war eine Apotheke in Griechenland, über die die Pharmabande die illegale Ware vertrieb und Scheinrechnungen ausstellte. Die griechischen Medien sprechen von ihr als „Mafia der Krebsmedikamente“.

Bereits seit 2013 ist die Bande aktiv, sie hat etwa 25 Millionen Gewinn gemacht. Den griechischen Staat kostete die Hehlerei mindestens 13, 6 Millionen Euro.

Lunapharm – ein brandenburgischer Pharmahändler – wird nun beschuldigt die gestohlene Medikamente im Wert von mehreren Millionen Euro aus Griechenland bezogen und in Deutschland weiterverkauft zu haben. Von 2015 bis 2017 soll der Pharmahändler die Medikamente in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Berlin, Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt in Umlauf gebracht haben. Die Arzneien erhielt Lunapharm über eben jene griechische Apotheke, die in Deutschland allerdings keine Großhandelslizenz hat.

Erst in der vergangenen Woche entschied sich das deutsche Gesundheitsministerium für einen Rückruf der Lunapharm-Medikamente. Es gäbe den Verdacht, dass die Präparate unwirksam sind, weil die Kühl- und Lagervorschriften nicht eingehalten wurden. Der Großteil der Krebsmedikamente wurde allerdings bereits verabreicht, so das Ministerium.

„Das sind Mörder“

Das griechische Pharma-Netzwerk arbeitete auf unterschiedlichen Ebenen, um an die teuren Krebsmedikamente zu kommen. So stellte man etwa bereits verstorbenen Patienten ärztliche Atteste aus, stahl aus der Krankenhausapotheke und verabreichte griechischen Patienten geringere Dosen bei Krebsbhandlungen in Krankenhäusern.

Diese Patienten sind die Haupt-Opfer der Bande, bei vielen geht es jetzt um Leben oder Tod. „Meine Mutter hat im Mai 2017 ihre Chemotherapie begonnen – ohne jede Wirkung,“ sagt ein Mann, dessen Name nicht veröffentlicht wurde, im griechischen Fernsehsender Star.

Er habe sich schon lange gewundert, dass seine Mutter, anders als andere KrebspatientInnen, nach den Behandlungen nicht die typischen Nebenwirkungen gezeigt habe. Nachdem der Skandal bekannt wurde, sei es ihm wie Schuppen von den Augen gefallen: Auch seine Mutter sei dem kriminellen Ring zum Opfer gefallen und hat über ein Jahr lang ihre Krebstherapie mit zu geringen Dosen verabreicht bekommen. „Jetzt ist der Krebs bereits viel zu weit fortgeschritten,“ so der Mann weiter. Seine Mutter habe kaum noch eine Chance. „Ihr geht es heute sehr schlecht“, sagt er, und fügt hinzu: „Das sind Mörder!“

Die griechische Ärztekammer und der griechische Krebsverband Ellok haben auf die Enthüllung des Skandals reagiert und eine exemplarische, harte Bestrafung aller Beteiligten gefordert. Die Geschehnisse hätten Wut und Bestürzung ausgelöst, heißt es in den Stellungnahmen. Außerdem solle die Verantwortung der Verwaltung der Krankenhäuser überprüft werden in denen die niedrig dosierten Behandlungen festgestellt wurden. Noch immer führe die Verwaltung notwendige Kontrollen nicht durch und setze auch jetzt keine schärferen Maßnamen durch, kritisieren Ärztekammer und Ellok.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.