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Kreativer MieterschutzMit Klimmzug zum Vorkaufsrecht

In Neukölln soll das Vorkaufsrecht erstmals mit nicht genehmigten Sanierungen begründet werden. Womöglich kommt sogar das alte Vorkaufsrecht zurück.

Das Haus an der Ecke Braunschweiger Straße/Richardstraße will gerettet werden Foto: privat

Berlin taz | Das Eckgebäude an der Braunschweiger Straße, Richardstraße ist ein ganz normales Neuköllner Wohnhaus. Etwa 30 Mie­te­r:in­nen leben in dem intakten, aber nicht auf Hochglanz sanierten Gebäude, eine bunte Mischung, viele seit Jahrzehnten. Auch dass das Haus nun verkauft werden soll, stellt auf dem überhitzten Berliner Immobilienmarkt keine Besonder­heit dar. Neu ist dagegen die Begründung, mit der das Bezirks­amt das ­Vorkaufsrecht nutzen will, um den Verkauf an eine private Gesellschaft zu verhindern.

Zur Erinnerung: 2021 beerdigte das Bundesverwaltungsgericht das Vorkaufsrecht für Kommunen in Milieuschutzgebieten, das auf der Annahme beruhte, neue Eigentümer würden zur Verdrängung der bisherigen Mieterschaft führen. Auf dieser Grundlage waren in den Jahren zuvor Dutzende Häuser in Berlin vor Privatkäufern gerettet worden und gingen stattdessen an kommunale Wohnungsbaugesellschaften oder Genossenschaften. Seit dem Urteil ist die Praxis quasi zum Erliegen gekommen.

Mit zwei Ausnahmen: 2023 gelang es Neukölln mit der Argumentation der starken Sanierungsbedürftigkeit, das Vorkaufsrecht für ein Gebäude in der Weichselstraße auszuüben, 2024 gelang selbiges für das Tuntenhaus in Pankow. Nun versucht es Neukölln erneut, dies aber erstmals mit der Begründung, dass in dem zum Verkauf stehenden Wohnhaus illegale Sanierungen stattgefunden haben. Denn: In Milieuschutzgebieten muss jede bauliche Maßnahme genehmigt werden.

In der Braunschweiger Straße machten sich die Eigentümer diese Mühe erst gar nicht. In den vergangenen Jahren wurden Fenster ausgetauscht und mindestens zwei Wohnungen zu einer großen zusammenlegt, wie Mieter Lukas Ott (Name geändert) der taz erzählt.

Rückbau erforderlich

Neuköllns Baustadtrat Jochen Biedermann (Grüne) spricht von „nicht genehmigten Modernisierungsmaßnahmen“, die zum Teil auch „nicht genehmigungsfähig“ seien und demnach „zurückgebaut werden müssen“. Biedermann sagt: „Das sind keine baurechtskonformen Zustände.“ Genau damit will er dann auch die Ausübung des Vorkaufsrechts begründen.

Zunächst erhalten Verkäufer und beabsichtigter Käufer die Möglichkeit, Stellung zu nehmen, dann entscheidet das Bezirksamt, ob die Voraussetzungen für die Eröffnung des Vorkaufsrechts vorhanden sind. Für die Käufer bleibt dann die Möglichkeit, eine Liste von Vorgaben des Bezirks, etwa zu Baumaßnahmen und Mieterschutz, zu akzeptieren, eine Abwendungsvereinbarung zu unterschreiben und damit das Haus zu erwerben. Tun sie das nicht, kann der Bezirk das Vorkaufsrecht ausüben, wenn sich denn ein Dritt-Käufer findet.

Ott sagt, die Hausgemeinschaft sei jetzt schon auf der Suche nach interessierten Wohnungsbaugesellschaften oder Genossenschaften. Auch mit Kundgebungen und Transparenten am Haus wolle man demnächst auf sich aufmerksam machen.

Biedermann unterdessen hofft, „dass wir diese Klimmzug-Argumentation in Zukunft nicht mehr brauchen“. Die künftige Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf geeinigt, das Vorkaufsrecht „zu stärken“. Das kann, so Biedermann, „nur die Wiederherstellung des Vorkaufsrechts in seiner ursprünglichen Form bedeuten“ – und dies erwarte er auch von der Regierung.

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1 Kommentar

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  • Man ist sehr findig, die Klientelpolitik für einige wenige Günstlinge fortzusetzen, denen auf Steuerzahlerkosten günstige Mieten garantiert werden sollen. Immer wieder spannende Prioritäten in Berlin, während die Schulen verrotten.