Krankenhausbewegung: Beschäftigte unter Druck

Der Klinikkonzern Vivantes geht gegen Beschäftigte vor: Verhandlungen in den Töchtern sind in einer Sackgasse, eine Aktivistin wurde abgemahnt.

Eine Pflegekraft von Vivantes hält ein Schild mit der Aufschift "Ich reinige Dein Krankenzimmer. Keine Sauberkeit ohne uns!!" bei einer Demonstration von Vivantes und deren Töchterunternehmen vor dem Roten Rathaus.

Ohne Reinigung geht im Krankenhaus nichts, viel Geld gibt es trotzdem nicht Foto: dpa / Paul Zinken

Berlin taz | Der kommunale Klinikkonzern Vivantes will anscheinend nicht vom Konfrontationskurs gegenüber den Beschäftigten abweichen, auf dem sich der Konzern seit geraumer Zeit befindet. Davon zeugen gleich zwei Entwicklungen aus den vergangenen Wochen: Wie die Gewerkschaft Verdi mitteilte, mahnte die Personalgeschäftsführung die Pflegerin und bekannte Aktivistin für bessere Arbeitsbedingungen, Silvia Habekost, für Äußerungen in einem taz-Artikel ab. Zudem kritisiert Verdi, dass die Geschäftsführung alle Gespräche in einem Streit in den Töchterunternehmen abgebrochen habe.

In den Töchtern laufen seit Abschluss der im vergangenen Jahr erkämpften Tarifverträge Nachgespräche, wie genau diese umzusetzen sind. „Wir waren wirklich kurz vor einer Einigung“, sagte Verdi-Verhandlungsführerin Gisela Neunhöffer der taz. Am Montag vergangene Woche habe die Personalgeschäftsführerin Dorothea Schmidt der Gewerkschaft ein unterschriebenes Eckpunktepapier vorgelegt, versehen mit einer Deadline bis Donnerstagnacht.

Plötzlich gefehlt habe darin aber ein Verweis auf eine Reihe von Erschwerniszulagen, der im Tarifvertrag eigentlich vereinbart wurde. „Vielleicht haben sie gehofft, dass wir das nicht bemerken“, sagt Neunhöffer. Zudem habe die Geschäftsführung eine verabredete verbesserte Lohneingruppierung für etwa 1.000 Beschäftigte, die etwa in der Reinigung arbeiten, „extrem kompliziert und juristisch verklausuliert“ verfasst. Das habe die Tarifkommission misstrauisch gemacht. „Die Formulierung hätte nur zu neuen Interpretationskonflikten geführt“, sagt Neunhöffer zur taz.

„Wir haben daraufhin eine stark vereinfachte Formulierung zurückgeschickt und auf die Erschwerniszulagen gepocht“, schildert Neunhöffer das Vorgehen der Gewerkschaft. Doch Schmidt habe die Gespräche abgebrochen – was Verdi als „Friss oder Stirb-Strategie“ kritisiert. „Das bedeutet, dass bis zu 1.000 Beschäftigte im Niedriglohnsektor leer ausgehen“, sagt Neunhöffer hörbar frustriert. Zwar bringe der neue Tarifvertrag dennoch Verbesserungen für viele Beschäftigte, den Betroffenen bliebe nun aber noch der Rechtsweg – Verdi will ihre Mitglieder unterstützen.

Gewerkschaftlerin abgemahnt

Dieser Schilderung entgegen steht Vivantes-Sprecherin Astrid Steuber, die auf taz-Nachfrage lediglich schreibt, dass Verdi das Angebot „bisher nicht angenommen“, sondern „weitere Nachbesserung“ gefordert habe. Von einem Abbruch der Gespräche redet Steuber nicht, sondern sagt, das Angebot habe weiter Bestand. Es sehe Verbesserungen vor, „deutlich über den Tarifvertrag für die Tochtergesellschaften hinaus“. Außerdem würde „eine Vielzahl“ der Beschäftigten in den Töchtern in eine bessere Gehaltsgruppe rutschen – die Erschwerniszulagen bleiben unerwähnt. Das Angebot sei aus den genannten Gründen jedoch weiterhin nicht akzeptabel, hieß es am Donnerstag aus Verdi. Vivantes sei auch nicht bereit, über den Gegenvorschlag von Verdi zu sprechen.

Nicht äußern will sich die Vivantes-Sprecherin zur Abmahnung von Silvia Habekost – der Konzern dürfe „Personalangelegenheiten, die einzelne Mitarbeitende betreffen“ nicht öffentlich kommentieren. Doch Habekost ist nicht irgendeine Mitarbeiterin, sondern gehört zu den bekanntesten Köpfen der Berliner Krankenhausbewegung, die sich für eine Verbesserung der teils katastrophalen Arbeitsbedingungen in den landeseigenen Berliner Kliniken einsetzt. Seit 15 Jahren ist Habekost gewerkschaftlich aktiv, seit 30 Jahren arbeitet sie im Vivantes-Klinikum als Pflegerin in der Anästhesie.

Ihre Abmahnung kann deshalb, wie es vonseiten Verdi heißt, als Versuch gelesen werden, Habekost „den Mund zu verbieten“. Nach taz-Informationen wird Habekost vorgeworfen, in einem taz-Artikel angeblich unwahre Aussagen über den Klinikkonzern gemacht und damit den Ruf des Unternehmens geschädigt zu haben.

Im Artikel kritisiert Habekost, Vivantes würde „jede Lücke“ des im vergangenen Jahr erkämpften Tarifvertrags ausnutzen – und diesen damit unterlaufen. Sie untermauerte dies mit eine Reihe von Beispielen: So würden durch ein minutengenaues System der Schichterfassung zum Beispiel Übergaben aus der erfassten Zeit in Unterbesetzung herausfallen. Nicht alle Klinikbeschäftigten erhielten einen Lohnaufschlag für das Einspringen an freien Tagen. Nur neue Azubis bekämen Ausbildungslaptops gestellt, alle anderen nicht. Habekost's Liste ließe sich fortführen.

Gewerkschaft ratlos über Konfrontationskurs

Vivantes versuche „Kritik einfach zu verbieten, anstatt die Probleme konstruktiv zu lösen“, lässt Susanne Feldkötter, stellvertretende Landesbezirksleiterin von Verdi Berlin-Brandenburg, in einer Mitteilung verlauten. Der Versuch, „durch ein derart rabiates Vorgehen einzelne in der Öffentlichkeit stehende Gewerkschaftsmitglieder mundtot zu machen“, sei „zum Scheitern verurteilt“. Verdi-Jurist:innen hätten die Abmahnung geprüft und für unberechtigt befunden. Auch Habekost teilte der taz mit, sie werde sich nicht einschüchtern lassen.

Selbst in der Gewerkschaft ist man zunehmend ratlos, wie mit dem Kurs der Vivantes-Personalabteilung umzugehen sei. Das Unternehmen müsse sich grundsätzlich überlegen, „ob es der richtige Weg ist, etwa in der Pandemie stets außergewöhnliche Leistungen zu verlangen, aber immer wieder aber auf Konfrontation zu setzen.“ Ein Ende dieser Strategie ist aber nicht in Sicht: Erst kürzlich habe Neunhöffer erfahren, dass die Geschäftsführung die Beschäftigten, die in der Tarifkommission der Tochterunternehmen sitzen, für ihre nächste Sitzung nicht freigestellt habe.

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