Kranke Familienmitglieder: Viele bereit zur Angehörigenpflege
Ein Viertel der Jüngeren hat schon Verwandte gepflegt, zwei Drittel sind dazu bereit. Aber nur wenige nehmen Beratungs- und Unterstützungsangebote an.
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Ein Viertel der jungen Menschen hat bereits Pflegeerfahrungen gesammelt, bei über der Hälfte von ihnen war die zu pflegende Person die Großmutter oder der Großvater. Die Pflege wird dabei weniger als eine moralische Pflicht gesehen, sondern geschieht aus familiärer Verbundenheit, sagte Thomas Klie von der Evangelischen Hochschule Freiburg, der den Report geleitet hat. Laut Pflegestatistik des Statistischen Bundesamts wurden Ende 2019 von den 4,1 Millionen Menschen, die Leistungen aus der Pflegeversicherung erhielten, 80 Prozent zu Hause gepflegt.
Auch 41 Prozent der Befragten wünschen sich die Pflege eines nahen Angehörigen zuhause durch die Familie gemeinsam mit einem Pflegedienst oder einer festen Pflegekraft. „70 Prozent der zuhause versorgten Menschen nehmen aber keinen Pflegedienst in Anspruch, die Angehörigen machen das ganz alleine“, erklärte Klie.
Er forderte von der kommenden Bundesregierung, die ambulante Pflege verstärkt in den Blick zu nehmen. „Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels werden wir bald an die Kapazitätsgrenzen in Pflegeheimen stoßen. Wir müssen sicherstellen, dass pflegende Angehörige umfassend unterstützt werden, um ihren wichtigen gesellschaftlichen Auftrag erfüllen zu können.“
Traumatisierende Belastungssituationen drohen
DAK-Vorstandschef Storm forderte vor allem, Pflegende vor Verarmung zu schützen, in der Häuslichkeit zu entlasten und proaktiv zu beraten. Dafür müsse das Pflegegeld um fünf Prozent erhöht und dynamisiert werden, sowie pflegende Angehörige kurzfristig finanziell entlastet werden. Von der zukünftigen Bundesregierung forderte er so schnell wie möglich die Einberufung eines Pflegegipfels.
Die Vereinbarkeit von Pflege, Beruf und Kindererziehung müsse verbessert werden, etwa durch einen Anspruch auf Haushaltshilfe und Kinderbetreuung für pflegende Eltern(teile) mit einem eigenen Haushalt für bis zu 30 Kalendertage im Jahr.
Nur gut ein Drittel der jungen Pflegenden (38 Prozent) nimmt Beratungsangebote und Unterstützung in Anspruch, zeigt der Pflegereport. Sie versuchten, sich im Alltag „durchzubeißen“ und riefen zu spät um Hilfe. Dies könne zu traumatisierenden Belastungssituationen führen, erklärte Klie. Storm forderte, gesetzliche Möglichkeiten für die Pflegekassen zu schaffen, proaktiv mit Beratungsangeboten auf Pflegende zugehen zu können. Bisher dürfen Pflegekassen nur aktiv beraten, wenn Pflegende auf sie zukommen.
Für die Untersuchung im Rahmen des DAK-Pflegereports befragte das Institut für Demoskopie Allensbach zwischen dem 19. und 30. März per Online-Interview im gesamten Bundesgebiet insgesamt 1.310 jüngere Männer und Frauen im Alter zwischen 16 und 39 Jahren, darunter 443 Personen, die derzeit Angehörige pflegen oder unterstützen beziehungsweise das in den letzten zehn Jahren getan haben. Die DAK-Gesundheit ist mit gut 5,5 Millionen Versicherten die drittgrößte Krankenkasse Deutschlands.
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