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Krach wegen „César“ für Polanski„Violanski“ spaltet die Filmwelt

Dem Regisseur Roman Polanski wird Sex mit Minderjährigen vorgeworfen. Als er bei der „César“-Verleihung ausgezeichnet wird, kommt es zum Eklat.

Proteste gegen die „César“-Filmpreisverleihung an Regisseur Roman Polanski Foto: Rafael Yaghobzadeh, AP

Nicht Roman Polanskis Film „J’accuse“ (in deutschen Kinos unter dem Titel „Die Intrige“ zu sehen) spaltet derzeit Frankreichs Filmwelt, sondern die Person des polnisch-französischen Regisseurs. Die Preisverleihung der „César“-Akademie vor einer Woche ließ den Konflikt eskalieren.

Dass Polanski die Statue für die beste Regie bekam, ist für viele aufgrund der Anschuldigungen wegen Vergewaltigung von und sexueller Aggression gegenüber Minderjährigen unverdaulich.

Am Abend der Zeremonie demonstrierten vor dem Saal Feministinnen gegen die Absicht, „Violanski“ (so zu lesen auf einem Schild einer Demonstrantin) zu ehren. Polanski hatte sich dem Zugriff der amerikanischen Justiz wegen Sex mit einer 13-Jährigen entzogen.

Das war 1977, und in Frankreich dachten viele, verjährt sei vergeben und vergessen. Doch mindestens sechs Frauen erheben schwere Anschuldigungen gegen ihn, und noch wenige Wochen vor der César-Verleihung wurden neue Vergewaltigungsvorwürfe gegen ihn bekannt.

Obwohl weder Polanski noch seine DarstellerInnen und die restlichen Mitglieder der Produktion zugegen waren, kam es zum erwarteten Eklat. Florence Foresti, eine in Frankreich bekannte Humoristin, die mit ihren Sketches den Abend gestalten sollte, weigerte sich, Polanskis Namen korrekt auszusprechen.

Wortführerin und Ikone

Aus „Ekel“ über dessen Ehrung als bester Regisseur verließ sie vorzeitig die Veranstaltung. Lautstark protestierend ging vor den Kameras die Schauspielerin Adèle Haenel, solidarisch begleitet von einigen anderen, aus dem Saal.

Haenel hatte vor wenigen Wochen einen anderen Regisseur öffentlich sexueller Übergriffe während Dreharbeiten beschuldigt, als sie ihre erste Filmrolle spielte. Sie war damals 14 Jahre alt. Dank Haenel hat in Frankreich die #MeToo-Kampagne den Film erreicht, sie ist für die Opfer eine Wortführerin und Ikone.

Prominente KollegInnen wie Fanny ­Ardent oder Lambert Wilson zogen es vor, sich mit Polanski zu solidarisieren. Ihnen geht es nicht nur um die Unschuldsvermutung, auf die sich der zumindest in Frankreich gerichtlich nicht belangte Regisseur berufen kann. Für sie ist Polanski aufgrund seiner Meisterwerke für den Film und seinen Beitrag für die französische Kultur ein Monument und somit wenn auch nicht über jeden Verdacht, so doch über moralisch klingende Angriffe oder gar Vorverurteilungen erhaben.

Ardent gab eine Liebeserklärung ab: „Wenn ich jemanden liebe, kann ich gegen ihn kein Urteil fällen. Wenn einer gegen alle steht, ergreife ich für ihn Partei. Ich habe Lust, ihn zu verteidigen und ihm Wärme zu geben. Die Menschen, die man liebt, sind wie deine Familie. Du verteidigst sie selbst gegen die Polizei.“

Doch ist Polanski deswegen auch gleich unantastbar, und soll er angesichts der doch gravierenden Vorwürfe für einen unbestritten sehenswerten Film gleich höchste Ehren erhalten?

Sexistische Attacken

Opfer sexueller Gewalt, die wie Haenel ein langes Schweigen gebrochen haben, fühlen sich von der Solidarität mit Polanski verhöhnt. Einen schockierenden Höhepunkt erreichten die zum Teil sexistischen Attacken auf Polanski-Kritiker mit wüsten Beschimpfungen, die der Casting-Direktor, Olivier Carbone, auf Face­book ausstieß und Haenel unter Hinweis auf seine Beziehungen drohte: „Du wirst eine Überraschung erleben, deine Karriere ist tot!“

Polanskis Hauptdarsteller Jean Dujardin will Frankreich nach dieser Polemik verlassen und sich so der Debatte entziehen: „In Frankreich stinkt’s.“ Wen er für dieses Klima verantwortlich macht, sagt er nicht.

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7 Kommentare

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  • Warum ‚schlagzeilt‘ die taz verharmlosend, polanski würde „sex mit minderjährigen vorgeworfen“?

    In los angeles wurde ihm 1977 „vergewaltigung unter verwendung betäubender Mittel“ der damals 13 jahre alten samantha jane gailey vorgeworfen. Ein 44-jähriger mann betäubt und vergewaltigt ein 13 jahre junges mädchen. Selbst im text wird die tatsache unterschlagen, daß polanski sich schuldig bekannt hat des „außerehelichen Geschlechtsverkehr mit einer Minderjährigen“.

    Stattdessen könnte die taz sich für den offenkundig unschuldigen julian assange einsetzen. Denn seit dem 24.02.2020 war in der taz über den zu unrecht von den usa, schweden und dem uk verfolgten wikileaks gründer nichts mehr zu lesen. Ein schweigen im blätterwald, das schlimmste befürchtungen hervor ruft.

  • Ich finde es schockierend, wie unterschiedlich der Tatbestand des sexuellen Missbrauchs (es geht ja um eine nachgewiesene Tat, nicht um einen diffusen Vorwurf) bewertet wird, je nachdem ob er von einem Künstler oder einem Priester begangen wurde.

    Man muss nur mal den Namen Polanskis durch den eines x-beliebigen Bischofs ersetzen und sich dann den Artikel nochmal durchlesen.

    Ich finde es ermutigend, dass es starke Kräfte in der französischen Kulturszene gibt, die das nicht hinnehmen wollen.

    • @Breitmaulfrosch:

      Für die Tat sind sowohl Bischof als auch Polanski müssen juristisch für ihre Taten belangt werden.



      Das weitere Wirken ist separat zubeurteilen, es sei denn die Tat hängt unmittrlbar mit dem Wirken zusammen.



      Das ist unabhängig von ihrer Profession.

      Wenn ein Täter grundsätzlich aussätzig ist, dann haben wir ein erhebliches Problem im Rechtsstaat. Auch Resozialisierung geht nicht mehr. Dann kommen wir zu einem jakobinischen Staat, in dem keiner mehr fehlbar sein kann. Eine echt gruselige Vorstellung.

  • Werk und Tat sind getrennt zu betrachten.

    Für die Tat ist Polanski juristisch zu belangen.



    Für die beste Regie im Wettbewerb kann er ausgezeichnet werden.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Zum Thema "J' accuse": Wenn jede andere 'Fähigkeit' derart ausgeprägt wäre, wie die, andere anzuklagen, würde unsere Welt anders aussehen. Weniger toxisch. Sozialer.

    Was bin ich froh, dass es auch noch einige Menschen gibt, die niemanden anklagen.

  • Offenbar gibt es außer der längst abgeschlossenen Geschichte in den USA 1974-75 noch weitere jüngere Vorwürfe, zumindest in der Schweiz seit den 80ern.



    Das Preiskomitee hätte ja auch den Film und seine Aspekte mit anderen Preisen würdigen, belohnen können.



    Ein Preis für die "beste Regie" heißt automatisch: Polanski ist ein toller Typ.



    Das ist er nicht. Aber der Film ist sicher wichtig, und vielleicht auch gelungen. Es gab schon mal in den 90ern eine Verfilmung:



    Yves Boisset - L'Affaire Dreyfus 1995 mit Pierre Arditi.



    So macht die Cannes-Jury den Eindruck: wir ignorieren Machtmissbrauch von Regisseuren. Das verlangt nach Protest.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @nzuli sana:

      Eine höchst eigenwillige, faktenfreie Auslegung.

      Eine Ehrung für die beste Regie heißt ... was wohl? Bitte selbst schreiben!

      Dass persönlichkeitsbezogene Aspekte ausgezeichnet würden, höre ich zum ersten Mal. Wo steht dies geschrieben?

      Aber vielleicht kann die taz mal einen Cineasten zum Thema befragen, um ein klein wenig sachlichen Gehalt in die stockende Debatte zu bringen.

      Am besten am 08. März abdrucken.