Kosten für Atommülllagerung: Siemens will Geld für den Abfall
Der Bund prüft, ob das Technologieunternehmen den Staat an den Kosten für seinen Atommüll beteiligen kann – so wie die Energiekonzerne.
Das Ansinnen des Münchner Konzerns liegt nahe, schließlich sitzt auch er auf teuren Atom-Altlasten. Im Hanauer Stadtteil Wolfgang war von den sechziger Jahren an ein Firmengeflecht von Degussa, Siemens und RWE entstanden, das dort bis 1995 Brennelemente fertigte. Neben Uran wurde auch Plutonium zu Mischoxidelementen verarbeitet. Die Branche nannte Hanau damals das „Herz der deutschen Atomindustrie“.
Der Rückbau der Anlagen dauerte bis 2006. Nur der Atommüll ist noch immer da. Gleiches gilt für die strahlenden Reste eines nuklearen Forschungs- und Dienstleistungszentrums in Karlstein am Main – an jenem Ort, wo 1961 das Versuchsatomkraftwerk Kahl die ersten Kilowattstunden Atomstrom ins deutsche Netz speiste.
Rund 1,55 Milliarden Euro hat Siemens zuletzt an Rückstellungen bilanziert. Laut dem jüngsten Geschäftsbericht ergebe sich diese Summe „auf Basis der geschätzten Dekontaminations- und Umweltschutzverpflichtungen“ an den beiden Standorten. Siemens hofft, die strahlenden Überreste seiner einstigen Geschäfte – als schwach- und mittelradioaktiver Abfall eingestuft – Anfang des kommenden Jahrzehnts im niedersächsischen Endlager Schacht Konrad versenken zu können.
Die Menge soll etwa drei Prozent der dort geplanten Kapazitäten in Anspruch nehmen. Neben ökologischen Gefahren dürften auch erhebliche wirtschaftliche Risiken lauern, Ewigkeitskosten genannt. Derer würde sich der Technologiekonzern natürlich gerne entledigen.
Die AKW-Betreiber haben diese staatlich betriebene „Enthaftung“ bereits erfolgreich abgeschlossen. Anfang Juli hatten sie 24,1 Milliarden Euro auf Konten des „Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung“ bei der Deutschen Bundesbank eingezahlt und sich so von den Kosten der Zwischen- und Endlagerung freigekauft.
So brütet das Bundeswirtschaftsministerium darüber, wie mit weiteren Interessenten umgegangen werden soll. „Die Bundesregierung prüft derzeit das Ob und Wie einer Erweiterung des Anwendungsbereichs des Entsorgungsfondsgesetzes auf andere Inhaber radioaktiver Abfälle“, teilt ein Ministeriumssprecher mit.
Allerdings will man das Thema aus dem Wahlkampf heraushalten. Eine schnelle Entscheidung wird es nicht geben; erst Ende 2018 soll die Prüfung durch die Bundesregierung abgeschlossen sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin