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Korruptionsvorwurf gegen Michel TemerGerichtsverfahren erstmal auf Eis

Trotz Bestechungsvorwürfen und sinkender Beliebtheit bleibt Brasiliens Präsident im Amt. Im Parlament kam die nötige Zweidrittelmehrheit gegen ihn nicht zustande.

Brasiliens Präsident Michel Temer Foto: dpa

Brasília afp | Etappensieg für den unter Korruptionsverdacht stehenden brasilianischen Präsidenten Michel Temer: Der Staatschef überstand am Mittwoch eine Abstimmung im Parlament und entgeht somit einem Korruptionsverfahren vor dem Obersten Gericht, das ihn sein Amt hätte kosten können. Es wird allerdings damit gerechnet, dass Generalstaatsanwalt Rodrigo Janot den Präsidenten in den kommenden Wochen weiterer Vergehen beschuldigen könnte.

Für eine Weiterleitung der Korruptionsvorwürfe an das Oberste Gericht hätten im Parlament 342 der insgesamt 513 Abgeordneten mit Ja stimmen müssen. Temer dagegen benötigte nur 172 Abgeordnete, die sich entweder hinter ihn stellen oder sich enthalten mussten, um den Prozess abzuwenden. Diese Zahl war bereits kurz nach Abstimmungsbeginn schnell erreicht.

Dem Endergebnis der Abstimmung zufolge erhielt Temer sogar 263 Stimmen und damit mehr als die Hälfte der gesamten Kammer. Temer selbst sprach von einem „klaren, unbestreitbaren“ Sieg. 227 Abgeordnete stimmten für die Weiterleitung der Vorwürfe an das Oberste Gericht, zwei enthielten sich.

Wäre die nötige Zahl für einen Prozess erreicht worden, hätte das Oberste Gericht ein Strafverfahren gegen Temer einleiten und den Präsidenten zunächst für sechs Monate suspendieren können. Das Verfahren hätte letztlich zur Amtsenthebung Temers führen können.

Mehr als neun Stunden Debatte

Der Präsident ist nach Überzeugung der Ermittler in einen weit verzweigten Korruptionsskandal verstrickt und soll Bestechungsgelder von einem Fleischkonzern kassiert haben. Ihm wird vorgeworfen, 500.000 Real (rund 130.000 Euro) Schmiergeld vom Chef des Fleischkonzerns JBS angenommen zu haben. Temer weist die Anschuldigungen zurück.

Der Abstimmung vorausgegangen war eine mehr als neunstündige lautstarke Debatte. Abgeordnete der Arbeiterpartei (PT) und anderer Oppositionsgruppierungen taten gleich zu Beginn ihren Unmut kund und hielten Plakate in die Höhe. Darauf forderten sie unter Hinweis auf die Korruptionsvorwürfe und auf Temers umstrittene Sparpolitik dessen Rücktritt sowie sofortige Neuwahlen.

Die linksgerichtete Opposition hatte gehofft, der Skandal könnte den Konservativen Temer stürzen und die Sparmaßnahmen stoppen. Diese hatten zu gewaltsamen Protesten geführt. Temer argumentiert jedoch, die Maßnahmen seien notwendig, um die Wirtschaft nach zweijähriger Rezession wieder anzukurbeln.

Temer in der Bevölkerung äußerst unbeliebt

Die Opposition ist überdies verärgert über Temers Amtsübernahme im vergangenen Jahr. Seine Vorgängerin, die linksgerichtete Ex-Präsidentin Dilma Rousseff, war im August 2016 vom Senat ihres Amtes enthoben. Ihr war vorgeworfen worden, Haushaltszahlen geschönt zu haben. Ihr damaliger Vize-Präsident Temer übernahm daraufhin umgehend das Ruder.

Temer sagte nach seinem Sieg im Parlament am Mittwoch, er werde dafür sorgen, „Brasilien aus der schlimmsten Wirtschaftskrise der Geschichte zu führen“. „Ich will die größte Umwandlung, die je in unserem Land vorgenommen wurde, zu Ende bringen“, sagte er.

Temer ist in der brasilianischen Bevölkerung äußerst unbeliebt. Seine restriktive Sparpolitik, die tiefe Wirtschaftskrise und die Korruptionsvorwürfe treiben die Menschen regelmäßig auf die Straßen. In der weitverzweigten Korruptionsaffäre in Brasilien hatte Temer seinen Kopf bisher immer wieder aus der Schlinge ziehen können.

Es wird allerdings damit gerechnet, dass Generalstaatsanwalt Janot den Staatschef in den kommenden Wochen noch mindestens in einem Punkt beschuldigen könnte, darunter wegen Justizbehinderung.

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1 Kommentar

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  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Es ist interessant, dass diejenigen, die nichts auslassen Maduro der grössten Menschheitsverbrechen zu beschuldigen, hier gar nichts zu sagen haben. Denn Temer steht auf der richtigen Seite, macht die richtigen Reformen und da kann man sich schon mal über Volkes Wille hinwegsetzen. Wer da mit Volkes Wille kommt ist Populist, während in Venezuela Volkes Wille Gottes Wille ist. Man braucht nur nach Brasilien zu schauen, um darüber klar zu werden, was mit Venezuela passiert, wenn die Opposotion ans Ruder kommt.