Korruptionsskandal in Brasilien: Die Bestechlichen
Für Aufträge des Staatskonzerns Petrobas in Brasilien sollen 800 Millionen Dollar Bestechungsgeld geflossen sein. Nun ermitteln Staatsanwälte gegen die Politiker.
RIO DE JANEIRO ap | Im größten Korruptionsskandal der Geschichte Brasiliens wird nun auch gegen Spitzenpolitiker der Regierungskoalition und gegen den früheren Präsidenten Fernando Collor de Mello ermittelt. Das Oberste Gericht des Landes gehnehmigte am Freitagabend (Ortszeit) Verfahren gegen 54 Verdächtige, die in den Skandal um den Staatskonzern Petrobas verwickelt sein könnten. Damit wächst auch der Druck auf Staatspräsidentin Dilma Rousseff.
Bei dem Skandal geht es um Schmiergelder, die Baufirmen für überteuerte Aufträge des staatlichen Ölkonzerns gezahlt haben sollen – umgerechnet rund 740 Millionen Euro. Ein Teil davon soll als Wahlkampfspende letztlich an Rousseffs Arbeiterpartei geflossen sein. Die heutige Staatspräsidentin war früher Aufsichtsratschefin bei Petrobras. Kritiker halten ihr vor, von den Praktiken gewusst zu haben. Gegen sie wird jedoch nicht ermittelt.
Generalstaatsanwalt Rodrigo Janot hat Verfahren gegen rund 50 Personen beantragt, darunter 21 Bundesvertreter und zwölf Senatoren. Auf der Liste stehen Senatsführer Renan Calheiros und der Vorsitzende des Unterhauses Eduardo Cunha. Sie gehören der Partei der Brasilianischen Demokratischen Bewegung an, dem Koalitionspartner von Rousseffs Arbeiterpartei. Expräsident Collor de Mello musste 1992 wegen eines Korruptionsskandals sein Amt abgeben, sitzt aber derzeit im Senat des Landes.
Darüber hinaus umfasst die Liste auch mehrere frühere Vertraute von Rousseff. Dazu zählen Ex-Kabinettschefin Gleisi Hoffmann, der frühere Energieminister Edison Lobao und auch ein ehemaliger Finanzminister, Rousseffs erster Kabinettschef Antonio Palocci.
Staatsanwalt Janot wirft den Verdächtigen Verbindungen zu den Bestechungspraktiken Petrobas vor. Nach brasilianischem Recht musste er sich Ermittlungen gegen Amtsträger in Parlament und Regierung vom Obersten Gericht absegnen lassen. Die Obersten Richter müssten auch eine Anklage gegen solche Personen genehmigen.
Die Untersuchungen dürften Jahre in Anspruch nehmen. Sie begannen vor einem Jahr. Die Ankläger hatten nach eigenen Angaben Deals mit mehreren Beteiligten getroffen, deren Aussagen den Weg für die Ermittlungen gegen die Politiker ebneten.
Präsidentin Rousseff ist in ihrer zweiten Amtszeit ohnehin wegen der schlechten politischen und wirtschaftlichen Lage des Landes in Bedrängnis. Ihre Arbeiterpartei erklärte in einer E-Mail, sie sei „stolz, Regierungen zu leiten, die schonungslos Korruption bekämpft haben“.
Es seien die Kabinette von der amtierenden Präsidentin und ihres Vorgängers Luiz Inácio Lula da Silva gewesen, die am stärksten gegen Bestechlichkeit vorgegangen seien. Sie hätten die Kontrollen von Behörden gestärkt und die Unabhängigkeit von Bundesstaatsanwälten und der Bundespolizei garantiert, hieß es in der Erklärung.
Experten bewerten die Bemühungen um Aufklärung der vermuteten Korruption positiv. Nun sei der Geist aus der Flasche, die Verantwortlichen müssten sich den Konsequenzen ihres Handelns stellen, sagte Paul Sotero vom Brasilien-Institut des Woodrow-Wilson-Zentrums in Washington. Personen in mächtigen Positionen seien nicht länger unantastbar.
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