Korruptionsaffäre in der Türkei: Gül distanziert sich von Erdogan
Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül setzt sich deutlich von seinem Parteifreund ab. Er fordert, die Schuldigen am Tod von Berkin Elvan rasch zu finden.

ISTANBUL afp | Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül hat sich in der Korruptionsaffäre um die Regierung in Ankara mit klaren Worten von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan distanziert. Im Gespräch mit türkischen Journalisten während eines Besuchs in Dänemark wies Gül die These Erdogans, bei den Vorwürfen handle es sich um ein Komplott ausländischer Kräfte, als Äußerungen wie aus „Drittweltländern“ zurück, wie türkische Zeitungen am Mittwoch berichteten. Korruptionsvorwürfe gegen vier Ex-Minister Erdogans sollen am Mittwoch bei einer Sondersitzung des Parlaments in Ankara debattiert werden.
Erdogan macht die Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen für die Korruptionsvorwürfe verantwortlich und wirft Gülen vor, er wolle mit der Bildung „paralleler Strukturen“ im Staatsapparat die Regierung stürzen. Gül vermied die Verwendung dieses Begriffs und sagte, Staatsbedienstete könnten durchaus „unterschiedliche Ansichten“ haben. Sollte es Verfehlungen gegeben haben, gebe es rechtliche Mittel zu deren Ahndung. Er forderte zudem, die Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung müssten transparent aufgearbeitet werden.
Anders als Erdogan verlangte Gül auch, die Schuldigen für den Tod des Jugendlichen Berkin Elvan müssten rasch gefunden werden. Der Junge war während der Gezi-Proteste im vergangenen Jahr von einer Tränengaskartusche der Polizei am Kopf getroffen worden und nach monatelangem Koma in der vergangenen Woche gestorben. Gül betonte, der Rechtsstaat müsse sicherstellen, dass sich ein solcher Fall nicht wiederhole. Erdogan hatte das Vorgehen der Polizei gerechtfertigt.
Gül und Erdogan sind politische Weggefährten und zählen zu den Gründern der Regierungspartei AKP. Kritiker werfen Gül vor, aus Rücksicht auf Erdogan die Kontrollbefugnisse des Staatspräsidenten über die Regierung nicht genügend einzusetzen. Erdogan werden Ambitionen auf das Präsidentenamt nachgesagt, doch hat Gül bisher nicht erklärt, ob er bei der ersten Direktwahl des Staatsoberhaupts im August noch einmal antreten will.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!