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Korruption in der PflegeOma wandert von Bett zu Bett

In der Pflege werde geschmiert und bestochen, gelogen und betrogen, sagt Transparency International. Und der Fehler liege im System.

Mit der „Wanderoma“ beantragte ein Pflegedienst in Berlin immer wieder Gelder. Bild: dpa

BERLIN taz | Zum Beispiel die „Wanderoma“. Die wird so genannt, weil ein Pflegedienst in Berlin die alte Frau in verschiedene Betten gelegt und für sie immer wieder Pflegegelder beantragt haben soll. Das sei ganz klar Betrug, sagt Anke Martiny, Vizechefin von Transparency International Deutschland (TI). Die Antikorruptionsorganisation legte am Dienstag eine Studie über Korruption in der Pflege vor.

Die sogenannte Schwachstellenanalyse macht Ungeheuerliches öffentlich: Im Pflegebereich werde geschoben und geschmiert, es werden Gelder veruntreut und hilflose Personen ausgenommen.

Von 1992 bis 2008 sind die Betreuungskosten, die der Staat aufbringen musste, von fünf Millionen Euro auf 640 Millionen Euro gestiegen. Jetzt betragen die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung laut Gesundheitsministerium 22 Milliarden Euro.

Die „Wanderoma“ flog lange Zeit nicht auf, weil niemand die Anträge für eine Pflegestufe geprüft hatte. Erst als die Kosten für das zahlungspflichtige Sozialamt durch die Decke gingen, wurde dort jemand stutzig.

Fehler im System

Der Fehler liegt im System, sagt Anke Martiny, Autorin der Studie: „Je komplexer ein System ist, desto stärker neigt es dazu, missbraucht und geplündert zu werden.“ Der Pflegebereich sei ein besonders großes und damit dankbares Konstrukt: Heime und Pflegedienste seien bundesweit vernetzt und riesige Wirtschaftsunternehmen. Derzeit gibt es nach Angaben des Statistischen Bundesamts rund 2,5 Millionen Pflegebedürftige und 950.000 Pflegebeschäftigte.

Der gesamte Bereich sei nur schwer zu kontrollieren, weil Überprüfungen – so schreibt es das Gesetz vor – Ländersache seien. Dadurch werde Betrug leicht gemacht, meint Barbara Stolterfoth, Co-Autorin der Studie: „Korruption ist an der Tagesordnung.“

Ärzte würde bestochen, damit sie Patienten in bestimmte Heime einweisen. Das Pflegepersonal werde angewiesen, beispielsweise eine Wohnung in der Hälfte der Zeit zu putzen. „Abgerechnet wird aber die volle Summe“, sagt Stolterfoth.

Das alles hat Transparency herausgefunden, weil die Lobbyorganisation mit MitarbeiterInnen von Pflegediensten, Sozialstadträten, Angehörigen und Patienten gesprochen hat. Teilweise drängen die Interviewpartner auf Anonymität – sie fürchten ihren Job zu verlieren.

Bei Betrügern beliebt ist laut Studie auch die sogenannte Quersubventionierung: Gelder, die für die Verpflegung und die Miete der Pflegepersonen verwendet werden sollen, werden in den Ausbau der Immobilie gesteckt. Oder: Pflegedienste stellen reichlich Personal ein, aber nur wenige davon sind fachlich ausreichend geschult.

„Das grenzt an Menschenhandel“

Damit das nicht auffliegt, „arbeitet“ eine Fachkraft für mehrere Pflegedienste – auf dem Papier. Und auch das gibt es: Da werden Pflegepersonen von einem Heim ins nächste „für viel Geld verkauft“. Martiny sagt: „Das grenzt für mich an Menschenhandel.“

Das muss sich rasch ändern, fordert Transparency. Die Organisation weiß auch wie: Whistleblower, also Personen, die Missstände öffentlich machen, sollten geschützt werden. Qualitätsgutachten sollten nicht nur an die zuständigen Behörden wie Pflegekassen und Sozialämter geschickt werden, sondern vor allem an das Personal der Heime und Pflegedienste.

Darüber hinaus sei ein Register über Verstöße notwendig. Wenn heute ein Betrug auffliegt, kann der Betrüger locker woanders weitermachen.

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6 Kommentare

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  • P
    Pfleger

    Sozialleistung Pflege und Sachleistung durch private Pflegeindustrie vertragen sich nie und nimmer. Das Geld gehört in die Hände der Berechtigten und nur so kann die Pflege bezahlbar und besser werden.

  • FK
    Franz Koch

    Betreuungskostensteigerungen von 1992 bis 2008 von 5 auf 640 Millionen Euro, also um 12700% (zwölftausensiebenhundert Prozent!)in 16 Jahren; irgend etwas kann da nicht stimmen. Wenn das stimmen würde, wäre es die gigantischste Kostensteigerung einer staatlichen Ausgabe von der ich jemals gehört hätte. Gemeint sind wahrscheinlich die Kosten für Berufsbetreuer, welche die Gerichte für Honorar und Aufwand den Berufsbetreuern zahlen.

     

     

     

    Jährlichen Steigerungen in diesem Bereich von durchschnittlich 11 Prozent aus den Jahren 2004-2008, die mir bekannt sind, scheinen realistisch (Ergebnisse einer Bund-Länder Arbeitgruppe zum Thema aus Mai 2009) und wären hoch genug um sie kritisch auf Angemessenheit zu prüfen.

     

     

     

    Die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung (SGB XI)von zur Zeit 22 Mrd. Euro haben mit den gesetzlichen Betreuungsleistungen (nach BGB § 1896) nichts zu tun.

     

     

     

    Bitte Zahlen und Bezugsgrößen nicht durcheinanderwerfen. Es verwirrt sonst mehr, als dass es zur Aufklärung beiträgt.

     

     

     

    Mit den besten Grüßen,

     

     

     

    Franz Koch

  • U
    unbenannt

    Auf der einen Seite werden die Pflegebedürftigen betrogen bzw. deren Krankenkasse und auf der anderen Seite müssen deren Kinder noch finanziell einspringen um die betrügerischen Abrechnungen zu zahlen und deren Leben ruiniert ?????

     

     

     

    Hallo deutsche Politiker, ihr habt doch so unendlich viele Beamte, warum wird nicht permanent und zwar unangemeldet in solchen Pflegeanstalten kontrolliert und die Heimbetreiber empfindlich bestraft ?

  • U
    unbenannt

    Eine alte Dame seit Jahren im Pflegeheim das irre teuer war, die Tochter bereits total überschuldet plus Kredit auf ihr Haus wollte die Mutter aus dem teueren Heim holen. Doch leichter gesagt als getan, das Heim tat alles um die Mutter behalten zu können. Erst über das Gericht bekam die Tochter die Mutter frei und konnte sie in ein anderes Heim bringen.

     

     

     

    Hier ging es nicht um die Person, hier ging es nur um ein gutes Geschäft

  • F
    Franzi

    Idioten gibt es überall, leider auch in der Pflege. Ich weiß es, ich stehe kurz vor dem Gesundheits- und Krankenpflegeexamen.

     

     

     

    Würde man sich endlich mal dazu aufraffen, der Pflege bzw allgemein dem Gesundheitssektor bessere finanzielle und somit personelle(!) und materielle Voraussetzungen zuzugestehen, würde mit Sicherheit so einiger Schmu nicht entstehen.

     

     

     

    Ich bin ja mal gespannt, was die Pflegekammer, die bald in Rheinland-Pfalz kommt, alles zuwege bringen kann.

  • W
    Wolfgang

    Arm und Alt und weiterhin ausgeplündert.

     

     

     

    Nur Anekdoten?

     

     

     

    Mein Vater hatte die Jahreskarte für Verkehrsmittel, damals für mehr als 600 DM, vergeblich gut versteckt. Die 'verlorene' Karte fand sich schließlich bei der häuslichen Pflegekraft.

     

     

     

    Während meine Mutter in ihrer Wohnung versorgt wurde, fuhr die Tochter der Hauspflege mit dem Wagen vor. Aus der fremden Küche wurde sie von ihrer Mutter mit kostenfreien Frühstück versorgt.

     

     

     

    Ein anderer Fall. Die ältere Frau bezog nur eine Armutsrente, stellte aber keinen Antrag auf Sozialhilfe. Trotzdem fuhr noch häufig ihr Sohn vor, um sich einen Teil der Armutsrente zu holen.

     

     

     

    Vor allem Frauen, trotz lebenslanger Kindererziehungszeiten und unterbezahlter Erwerbsarbeit, hätten einen gesetzlichen Anspruch auf Leistungen aus der (geringen) Grundsicherung (Sozialhilfe), sie stellen aber keinen Antrag. Den Beamten und Spar-Behörden sind diese Tatsachen durchaus bekannt.

     

     

     

    Die große Mehrzahl, vor allem der finanziell armen Alten, sie werden weiterhin in dieser asozialen Reichtumsgesellschaft geplündert, auch von den eigenen Kindern.