Korruption in Honduras: Politischer Schock
In einem Video verhandelt der Schwager der Präsidentin mit Drogen-Capos über Wahlkampffinanzierung. Xiomara Castros Glaubwürdigkeit ist erschüttert.
Als Beleg veröffentlichte die Redaktion ein Video, in dem Carlos Zelaya, Schwager der Präsidentin und Führungsfigur der Partei Libre, mit bekannten Drogen-Capos zu sehen ist. Das 34-minütige Video aus dem Jahr 2013 ist der Beweis, dass „Libre“ zumindest Kontakt zu den ökonomisch so potenten Drogenbanden hatte und womöglich noch hat und eventuell Geld im Wahlkampf 2013 annahm.
Letzteres lässt sich bis dato nicht beweisen. Allerdings ist das Video für Präsidentin Xiomara Castro, 2022 angetreten, um Honduras zu demokratisieren, die Justiz zu stärken und Korruption auf allen Ebenen zu bekämpfen, ein Desaster.
„Sie steht vor den Scherben ihrer Politik, hat immens an Glaubwürdigkeit verloren. Zumal ihr Umgang mit diesem Skandal schockierend ist“, kritisiert der Menschenrechtsanwalt Joaquín Mejía gegenüber der taz und fährt fort: „Xiomara Castro hat wenige Tage vor der Veröffentlichung des Berichts und des Videos am 28. August einseitig das Auslieferungsabkommen mit den USA storniert. Hat sie im Interesse ihrer Familie gehandelt?“, fragt der 47-jährige international gut vernetzte Jurist.
Dazu muss man wissen, dass die Redaktion von Insight Crime wenige Tage vor der Veröffentlichung von Bericht und Video bei der Präsidentin um ein Statement nachgefragt hatte. Xiomara Castro wusste also in etwa, welche Sprengkraft das Video haben würde.
In dem ist Carlos Zelaya, Schlüsselfigur der Libre-Fraktion im Parlament, zu sehen, wie er sich mit mehreren bekannten Drogen-Capos, darunter Devis und Javier Rivera von der Drogenbande „Los Cachiros“, trifft. Sie boten Zelaya und seiner Partei Libre rund eine halbe Million US-Dollar für den Wahlkampf an – unklar ist, ob das Geld geflossen ist. Allerdings ist das Video Beleg dafür, dass die 2011 gegründete linke Partei bereits 2013 über direkte Kontakte zur organisierten Kriminalität verfügte.
Dass die Drogenbanden längst die honduranische Politik infiltriert haben, ist nicht neu: Der Prozess gegen Ex-Präsident Juan Orlando Hernández in den USA hat Anfang des Jahres viele Details über das Netzwerk um den Narco-Präsidenten und seine Nationale Partei zutage gefördert. Hernández, in Honduras nur JOH genannt, wurde im Juni wegen Drogenschmuggels im großen Stil zu 45 Jahren Haft verurteilt. Neu ist jedoch, dass auch die Partei Libre, die sich gern als Vorkämpferin gegen Korruption und organisierte Kriminalität geriert, ein Problem mit der Infiltration ihrer Strukturen hat.
Genau das versucht die Präsidentin herunterzuspielen. In einer Ansprache an die Nation am 3. September im Fernsehen nahm sie die anderen Parteien und deren Narco-Verbindungen ins Visier und versuchte vom eigentlichen Skandal abzulenken. Das kritisieren Joaquín Mejía und der prominente Jesuitenpadre Ismael Soto Morena. Morena, in Honduras nur als Padre Melo bekannt, plädiert für die Beibehaltung des Auslieferungsabkommens. „Es ist das wichtigste Instrument gegen die Drogenbanden, denn unsere Justiz ist überaus fragil.“
Tatsächlich hat die amtierende Regierung zu wenig getan, um die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken. So ist die UN-Kommission gegen Korruption und Straflosigkeit, ein Wahlversprechen der Präsidentin, auch 28 Monate nach ihrer Vereidigung immer noch nicht Realität. Auch die Justiz agiert nur schleppend. Erst vor wenigen Tagen legte der Generalstaatsanwalt eine Liste mit 30 Namen von Personen vor, gegen die Untersuchungen laufen. Darauf finden sich auch die Namen von Carlos und Manuel Zelaya, aber auch der von Ex-Verteidigungsminister Héctor Manuel Zelaya – allesamt verwandt mit der Präsidentin.
Seit Wochen sind die Beziehungen zu den USA schwer gestört. Die Regierung in Tegucigalpa hat als eines der ersten Länder der Region den wohl vorsätzlich manipulierten Wahlsieg von Präsident Nicolás Maduro in Venezuela anerkannt. Das, aber auch ein Treffen von Verteidigungsminister Héctor Manuel Zelaya mit seinem venezolanischen Amtskollegen Vladimir Padrino, haben das bilaterale Klima auf den Gefrierpunkt sinken lassen. „Die USA befürchten, dass Honduras zu einem weiteren Venezuela oder Nicaragua werden könne. Sie gehen auf Konfrontationskurs zu Xiomara Castro und zu Libre“, erklärt Padre Melo. Die politische Krise in Honduras könnte kaum gravierender sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen