: Kopfschuss für den General
Die Regierung der Elfenbeinküste hat den „Putschversuch“ des Exdiktators Guei niedergeschlagen. Guei ist tot, jetzt soll das Militär zwei von „Rebellen“ besetzte Provinzstädte zurückerobern
von DOMINIC JOHNSON
Die Fernsehbilder zeigten die Leiche des Generals mit einem einzigen Kopfschuss, so wie es eben aussieht, wenn jemand auf offener Straße gezielt hingerichtet wird. Die amtliche Version zum Tod von General Robert Guei, Militärherrscher der Elfenbeinküste 1999–2000, lautet etwas anders: Soldaten hätten sein Auto beschossen, als dieses in Abidjan eine Straßensperre durchbrechen wollte. Auf jeden Fall hat Gueis Tod am Donnerstagnachmittag zum Höhepunkt der Kämpfe zwischen regierungstreuen und meuternden Einheiten der Streitkräfte den Machtkampf in der Elfenbeinküste vorläufig zugunsten der Regierung entschieden, deren Verteidigungsminister zu Beginn der Meuterei am Donnerstagfrüh von einem Putschversuch Gueis gesprochen hatte.
Trotz der Schuldzuweisung bleibt bis jetzt unklar, wer genau am Donnerstag zunächst in Abidjan die Kontrolle über die Stadt zu erringen versuchte und zugleich die zwei wichtigsten Provinzstädte des Landes – Bouaké im Zentrum und Korhogo im Norden – eroberte. Von ein paar hundert Gendarmen, die gegen ihre drohende Demobilisierung protestierten, war zunächst die Rede. Augenzeugen in allen drei Städten sprachen aber auch von jungen Zivilisten, manche mit roten Stirnbändern. Aus Korhogo berichtete ein ausländischer Entwicklungshelfer gestern der taz: „Es rennen vermummte Gestalten herum, die Militärkleidung anhaben und die Straßen mit Waffen kontrollieren.“
Die Meuterer beschossen Villenviertel, töteten Innenminister Emile Boga Doudou und nahmen die Frau von Verteidigungsminister Moise Lida Kouassi gefangen. Von einem durchdachten Plan war nichts zu sehen. Dies und die spätere Eliminierung Gueis sind schlechte Zeichen. Entweder begleichen politische Rivalen alte Rechnungen – oder Soldaten agieren auf beiden Seiten außer Kontrolle. Bereits jetzt werden insgesamt mindestens 105 Tote gezählt. Das Misstrauen, das für einen blutigen Bürgerkrieg erforderlich wäre, ist in allen politischen Lagern vorhanden. Oppositionelle werfen der Regierung seit einiger Zeit diktatorisches Verhalten vor, während die Regierungspartei FPI (Ivoirische Volksfront) von Staatschef Laurent Gbagbo davon überzeugt ist, alle Oppositionsparteien hätten sich gegen sie verbündet.
Die Rivalität zwischen Guei und Gbagbo zieht sich durch die jüngere Geschichte der Elfenbeinküste. Beide waren Gegner des 1999 gestürzten Zivilregimes von Henri Konan Bédié. Als Soldaten zu Weihnachten 1999 Bédié wegputschten, kam Guei an die Macht. Als Guei im Oktober 2000 eine Präsidentschaftswahl ansetzte, gewann überraschend der Sozialist Gbagbo. Er musste seinen Wahlsieg per Volksaufstand gegen Guei durchsetzen. Um Guei wurde es zunächst still.
Am 2. August wurde der Generalsekretär von Gueis Partei UDPCI (Union für Demokratie und Frieden in der Elfenbeinküste), Balla Keita, im nördlichen Nachbarland Burkina Faso erschossen – Indizien deuteten auf eine Verwicklung des Militärattachés der dortigen ivoirischen Botschaft hin. Am 27. August spazierten acht Kleinkriminelle in die Westafrikanische Zentralbank (BCEAO) in Abidjan und kamen mit umgerechnet 3,2 Millionen Euro wieder hinaus – angeführt vom Top-Wachmann des Gebäudes, Prosper Sia Popo. Der stammt aus Gueis Heimatregion, so dass FPI-Kreise prompt eine Verbindung herstellten. Am 13. September zog Guei seine Partei aus Gbagbos Regierung zurück. Sia Popo wurde am 14. September in Burkina Faso verhaftet, als er mit einem falschen ghanaischen Pass nach Deutschland fliegen wollte, und diesen Dienstag an die Elfenbeinküste ausgeliefert. Am Mittwoch will das Verteidigungsministerium erste Hinweise auf Gueis Putschvorbereitungen erhalten haben.
Nun ist Guei tot, und Gbagbo – der während der gesamten Krise in Italien weilte – hat gewonnen. Gestern nannte er die Meuterer „Terroristen“. Verteidigungsminister Kouassi versprach, bis zum Abend werde die Armee Bouaké „gesäubert“ haben.
Die Gefahr ist jetzt, dass radikale Elemente in der Regierung nach Guei auch den Rest der Opposition als Kriegsgegner wahrnehmen. Schon zirkulieren Gerüchte, wonach aus Burkina Faso Verstärkung für die Rebellen unterwegs sei. So etwas zu verbreiten, bedeutet in der Elfenbeinküste, ethnisch-regionale Spaltungen zu schüren, wobei die muslimischen Ethnien des Nordens pauschal zu Ausländern gestempelt werden, deren Heimat eigentlich Burkina Faso sei. Eine Gleichsetzung von Rebellen und den Völkern des Nordens wäre das Fanal zum Bürgerkrieg.
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