Konzertempfehlungen für Berlin: Präzise mäandernd
Das Ensemble gamut inc widmet sich der Kunst von Robotern, der Kiezsalon und XJazz starten wieder, und im ausland gibt es Punk mit Schnörkeln.
D ass sich die Maschinen vielleicht doch gegen den Mensch wenden und die Weltherrschaft übernehmen könnten – nun, mittlerweile werden derartige Szenarien aufgrund der KI-Entwicklung ganz ernsthaft in den Tagesthemen diskutiert, aber auch die Phantasie unserer Vorfahren regten solche Gedankenspiele schon munter an.
Karel Čapeks Roman „R.U.R. – Rossum’s Universal Robots“ von 1920 etwa beschäftigte sich mit den kommenden ökonomischen und ökologischen Katastrophen und wurde damit zu einer Blaupause für Science-Fiction-Literatur.
Das retrofuturistische Ensemble gamut inc, das sich auf computergelenkte Musikmaschine, also ebenfalls eine Art Roboter spezialisiert hat, hat sich des Stücks angekommen und damit letztes und vorletztes Jahr ziemlich Furore gemacht. Am kommenden Wochenende treten sie mit dem Stück im Theater im Delphi auf, welches für sich genommen ja schon eine Reise wert ist (2.–4. 5., 20 Uhr, Tickets für 15 Euro, ermäßigt 10 Euro gibt es hier).
Am Freitag startet dann auch der Kiezsalon in die neue Saison – mit einem Doppelaufschlag in der Zionskirche, der gleich mal zeigt, in welche Richtung es bei der geschätzten Veranstaltungsreihe geht. Allmonatlich findet nämlich über den Sommer ein Kiezsalon- Doppelpaket an zwei aufeinanderfolgenden Abenden statt, ab und zu gibt es dazwischen auch noch einzelne Abende, etwa am 30. Mai im ausland – unter anderem mit schön plingeligem Ambient-Dream-Pop von Morita Vargas aus Argentinien.
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Neue Orte über die Venues hinaus, die man schon über die letzten Jahre zu schätzen wusste, hat die nomadische Reihe auch im Programm, etwa den verwunschenen Spreepark. Dort wird die Juli-Ausgabe stattfinden, unter anderem mit der tollen Experimental-Cellistin Martina Bertoni und dem vietnamesichen Kollektiv Rắn Cạp Đuôi.
Und weil die beiden Auftakt-Abende an diesem Freitag und Samstag ausverkauft sind, soll die Erwähnung an dieser Stelle als Anregung dienen, ein bisschen weiter in die Zukunft zu planen, denn ein intimes (und deshalb schnell ausverkauftes) Ambiente ist Teil des Konzepts des Kiezsalons.
Zum Glück gibt es am Freitag ähnlich Spannendes – und zwar im ausland. Dort tritt der Sänger und Gitarrist Arnold de Boer aka Zea – normalerweise mit der legendären Post-Punk-Band The Ex unterwegs – zusammen mit dem französischen Klarinettisten Xavier Charles auf.
Dessen Wirken beschreibt de Boer folgendermaßen: Ich weiß nicht genau, was er macht, aber es hört sich an, als ob er für alle Instrumente in einer Post-Punk-Band der 1980er Jahre gleichzeitig einspringt. Außerdem am Start: das so präzise wie mäandernde Trio Crutches, bei dem Keyboard auf Gitarre und Schlagzeug trifft (21 Uhr, nur Abendkasse, Eintritt 10 Euro, weitere Infos gibt es hier).
Am Montag geht es dann weiter mit einem alljährlichen Frühsommer-Highlight, dem XJazz-Festival – erst gemächlich, mit einer Veranstaltung pro Abend. Zum Wochenende hin dann aber wieder mit dem vergnüglichen Überforderungsprogramm, das man von diesem fluiden, viele klangliche Gefilde streifenden Programm aus früheren Jahren kennt.
XJazz begreift sich nur nicht nur als Festival, sondern auch als Plattform und Ort der Vernetzung für die umtriebige Berliner Szene. Um die zu feiern, bringen die XJazz-Macher zu zehnten Festival-Geburtstag mit „Entangled Grounds. The Sound of XJAZZ! Berlin“ ein Compilation-Album heraus – was am Eröffnungsabend im Huxley’s präsentiert wird (6.5., ab 19 Uhr, Ticket für den ganzen Abend 35 Euro im VVK).
Darauf folgt an gleicher Stelle noch ein Auftritt der großartigen karibisch-belgischen Multiinstrumentalistin Nala Sinephro (unter anderem spielt sie Harfe), die mit „Space 1.8“ ein spó tolles wie soghaftes Jazz-Ambient-Album für alle Lebenslagen herausgebracht hat.
Manches, wie etwa der Auftritt des umtriebigen Shabaka – in der Londoner Jazzszene ein großer Vernetzer – ist bereits ausverkauft, doch vielerorts geht noch was: etwa am Samstag, wenn der norwegische Saxofonist Bendik Giske mit phänomenaler Präsenz den Raum füllen und mit spezieller Atemtechnik für ein besonderes Klangerlebnis sorgen wird.
Zu erleben ist er in der Emmauskirche – zusammen mit Sanni Est, Gewinnerin des Deutschen Jazzpreises 2023 und Infragestellerin von Schönheitsnormen und einigem mehr. (11.5., 20 Uhr, Ticket im VVK 35 Euro). Ein Blick ins weitere Programm lohnt (mit Fokus auf das Ticketsystem – hat man erst einmal eine Tageskarte, bereitete das ziellose Umherschweifen besonderes Vergnügen).
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