Konzert von Troye Sivan in Berlin: Androgyner Popprinz in ihrer Mitte

Im ausverkauften Berliner Velodrom gab der Australier Troye Sivan allen eine gute Zeit. Es war das erste von fünf Deutschlandkonzerten seiner Tour.

Sieben Tänzer und Musiker performen auf einer Bühne.

Der australische Singer-Songwriter Troye Sivan (Mitte) mit seinen Tänzern bei einem Konzert in Aarhus im Juni 2024 Foto: Helle Arensbak/ap

BERLIN taz | Am Ende spielt Troye Sivan ihn gleich zweimal: „Rush“, den Song, mit dem er sich im vergangenen Sommer in die Ohren und Herzen vor allem, aber nicht nur der LGBTQIA+-Popcommunity geschmiegt hat. Und das Publikum singt ihn mit, den elektrisierenden Chorus jener Hymne des Australiers auf das süße Leben, auf Partys, Flirten und Rummachen, auf queeren Hedonismus und auch auf Poppers möglicherweise. Die Fabrikate manch einer Sex-Droge tragen denselben Namen.

„Rush“ habe ihn verändert, erzählt Sivan, kurz bevor er den Song erstmals anstimmt, Berlin habe ihn verändert. Ebendort, in Berlin, gab er am Dienstagabend im ausverkauften Velodrom sein erstes von fünf Deutschlandkonzerten. Er hätte davon geträumt, „Rush“ in Berlin zu performen.

Sivan hat das Musikvideo dort gedreht. Nackte Pos am Strandbad Weißensee sieht man darin, schöne, leicht bekleidete Menschen in nur zum Teil inszenierten Partyszenen an diversen Orten, am Schluss – unverkennbar – die Warschauer Brücke. Man nimmt es ihm ab, aufgekratzt wirkt er, sichtlich bewegt. Zur zweiten Runde holt er den Cast des Musik­videodrehs auf die Bühne.

Sein neuestes, drittes Album

12. Juni, Sporthalle Hamburg, Hamburg

14. Juni, Zenith, München

17. Juni, myticket Jahrhunderthalle, Frankfurt am Main

18. Juni, Mitsubishi Electric Halle, Düsseldorf

„Something To Give Each Other“, der Titel seines neuesten, dritten Albums wird immer wieder auf einem Bildschirm eingeblendet, er ist auch Motto des Abends. ­Geben will Sivan seinem Publikum vor allem eins: eine gute Zeit, Fun, davon ist immer wieder die Rede, Musik natürlich, die fast so gut klingt wie vom Band, aber auch viel fürs Auge.

Fünf verschiedene Outfits präsentiert Sivan während seines 75-minütigen Auftritts, der mit „Got Me Started“, der zweiten Single des ­Albums, beginnt. Dazu eine ­sexuell aufgeladene Choreografie, wilde Hüftschwünge, sich aneinander reibende Körper, Lap-Dances, Knutscheinlagen. Sechs Tänzer tragen Sivan auf Händen, werfen wie zum Can-Can die Beine in die Höhe, tänzeln – mitunter, bei „One of Your Girls“, auf Highheels – und winden sich, grazil und euphorisch, rund um den androgynen Popprinz in ihrer Mitte.

Troye Sivan, geboren 1995 in Johannesburg, aufgewachsen in Australien, versuchte als Teenager schon früh sein Glück in Castingshows. Bei Starsearch kam er 2007 bis ins Finale. Ein Jahr später veröffentlichte er eine erste EP, „Dare to Dream“, zeitgleich begann er zu schauspielern, am Theater und im Film.

Coming-Out auf YouTube

2012 startete er einen erfolgreichen Youtube-Kanal, wo er dann 2013 einiges an Aufmerksamkeit auf sich zog, als er sich als homosexuell outete. Acht Minuten dauert das Video, in dem er über sein Schwulsein spricht und darüber, dass das nichts sei, weswegen man sich schämen müsse.

Über neun Millionen Menschen haben sich das Video bis heute angeschaut, die internationale Presse berichtete. Sivan begann zum Zeitpunkt der Veröffentlichung gerade, mit einem großen australischen Plattenlabel zusammenzuarbeiten. Ein Wagnis war das Video damals noch, geschadet hat es ihm nicht. 2015 erschien sein Debütalbum „Blue Neighbourhood“, 2018 dann „Bloom“.

Über zehn Jahre ist Sivans Coming-out-Video jetzt her. Wäre es heute überhaupt noch ein Thema? Noch in den neunziger und nuller Jahren wurden schwule Popstars angehalten, ihre sexuelle Orientierung zu verheimlichen. Der Wind hat sich gedreht. Offen homosexuell lebende Künst­le­r*in­nen sind im Mainstream­pop zwar weiterhin in der Minderheit, aber es gibt sie.

Zufall ist es natürlich, dass Sivans Berlinkonzert exakt 30 Jahre nach Abschaffung des Schwulenparagrafen 175 in Deutschland stattfand. Zufall auch, dass an einem anderen Kulturort der Stadt, in der Neuen Nationalgalerie, wenige Tage zuvor eine Ausstellung eröffnet wurde, die Andy Warhol erstmals als explizit schwulen Künstler zeigt. Zufälle, aber es passt alles zusammen.

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