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Konzerne finanzieren VerbraucherbildungErnährungskunde mit McGeld

Ein neues Bündnis soll Schüler über Verbraucherschutz aufklären – mit Unterstützung von großen Unternehmen wie McDonald's und Edeka.

Geldgeber ohne Vorbildfunktion: Süßigkeiten und Alkohol bei Edeka in Magdeburg. Bild: dpa

BERLIN taz | An der Teltow-Grundschule in Berlin kennen sich die Kinder aus: 50.000 Kilometer legt ein T-Shirt zurück, bevor es in die Läden kommt. Unter welchen Bedingungen Kleidung hergestellt wird und ob Kinder daran mitarbeiten müssen, haben die Grundschüler in einem Unterrichtsprojekt besprochen.

Diese Form der Verbraucherbildung soll es in Zukunft häufiger geben, kündigten Verbraucherschutz-Ministerin Ilse Aigner (CSU) und der Vorsitzende des Verbraucherzentrale-Bundesverbands (VZBV), Gerd Billen, am Dienstag an, nachdem sie sich vor Ort über die Arbeit der Schüler informiert hatten.

Möglich machen soll das ein neues „Bündnis für Verbraucherbildung“, das von der Deutschen Stiftung Verbraucherschutz initiiert wurde. Es soll unter anderem Schulprojekte zu Themen wie gesunde Ernährung oder nachhaltiger Konsum finanziell unterstützen.

Doch unter Verbraucherschützern sorgt das Projekt für Streit. Grund: Mitglied im Bündnis sind neben Verbraucher- und Sozialverbänden auch diverse Industrieverbände und Unternehmen. Dazu zählen die Commerzbank, Edeka und McDonald’s, die jeweils fünfstellige Beträge beisteuern und ein Drittel des Strategiebeirats der Initiative stellen.

„Experten für Junkfood“

Das findet Foodwatch absolut inakzeptabel: „Die Ernährungsbildung von Grundschülern darf nicht der Lebensmittelwirtschaft überlasen werden“, erklärte Kinderlebensmittelexpertin Anne Markwardt. Edeka und McDonald’s seien „Experten für Quengelkassen und Junkfood“ und damit „nicht Teil der Lösung, sondern Kern des Problems“.

Scharfe Kritik übte auch die verbraucherpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Karin Binder: Mit der Kooperation ermöglichten die Verbraucherzentralen „Lobbyisten den Auftritt im Unterricht“.

Dies wies der VZBV-Vorsitzende Billen zurück. „Indoktrinationen werden wir nicht zulassen“, erklärte er. „Die Autonomie der Schulen wird gewahrt.“ Ministerin Aigner sagte, es würden „klare Regeln“ geschaffen, um die „inhaltliche Neutralität“ der Bildungsangebote zu gewährleisten.

Grünen-Politikerin sieht keinen Skandal

Grünen-Verbraucherpolitikerin Nicole Maisch, die zusammen mit VertreterInnen aller Bundestagsfraktionen im Kuratorium der verantwortlichen Stiftung sitzt, sieht in der Kooperation „keinen Skandal“, kündigt aber an, „genau hinzuschauen“.

Tatsächlich schließen die Leitlinien des Bündnisses „werbliche Produkt- und Markenkommunikation“ in Schulen aus. „Unternehmensvertreter“ können aber ausdrücklich eingeladen werden und ihre „fachliche Expertise“ soll in die Arbeit einbezogen werden. Edeka hat bereits angeboten, die firmeneigenen Ernährungsberater an Schulen zu schicken – wogegen es bei der Stiftung allerdings noch Vorbehalte gibt. Pilotprojekte sollen jedoch getestet werden.

McDonald’s äußerte sich auf Anfrage nicht konkret zum geplanten Engagement im Rahmen des Bündnisses (Mailwechsel). Sprecher Philipp Wachholz erklärte nur allgemein, man wolle „als verantwortungsvolles Unternehmen“ einen Beitrag „für die Gesellschaft leisten“. Auch auf die Frage, inwieweit Aufklärung über gesunde Ernährung und nachhaltigen Konsum überhaupt im Interesse des Fastfood-Konzerns sein könne, gab es keine Antwort.

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11 Kommentare

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  • EB
    Ein Bertelsmann-Freund

    In der FAQ auf der Webseite der Stiftung Verbraucherschutz (http://www.verbraucherstiftung.de/verbraucherbildung/faq) findet man unterhalb der Frage: "Warum kooperieren wir mit Partnern aus der Wirtschaft?" folgende Infos:

     

    "...Es ist gut, dass das Bündnis breit aufgestellt ist und Partner aus der Wirtschaft dabei sind. ... Unternehmen profitieren von „gebildeten“ Verbrauchern, da diese Qualitätskriterien von (guten) Produkten besser verstehen..."

     

    Ich verstehe nicht, warum das Wort gebildet mit Anführungszeichen versehen wurde.

     

    Deswegen und weil ich zu den ungebildeten Menschen gehöre:

    Sind „gebildete“ Verbraucher nun kritische und gut informierte Verbraucher oder das Gegenteil, also unkritische und uninformierte oder vielleicht Verbraucher, die mit den Informationen der Unternehmen - vor denen wir unsere Kinder schützen wollen - vollgestopft wurden, die es den Letzteren noch besser und schneller möglich macht, noch mehr Geld, mehr Einfluss zunehmen auch auf das Nichtwohlergehen des gemeinen Volkes?

     

    Vielleicht findet sich ja ein netter und gebildeter Unternehmer, der mir diese Frage beantworten kann... ;-)

     

    Ach ja und nur der Vollständigkeithalber:

    Bertelsmann(-Stiftung) bzw. seine ehemaligen Mitarbeiter bzw. Freunde gehören natürlich zu den "Experten" bzw. sind diejenigen, die für die Grundlagen - die Studien - sorgen. Ach ist das "schön" und wenn ich ehrlich bin gar nicht mal so unerwartet...

    :-)

  • I
    Ischisch

    Böcke und Gärtner, das schönste Gespann seit eh.

     

    Wir sind bald wieder so weit.

  • D
    D.J.

    @manfred gerber,

     

    "warum Pestizide besser sind als Aflatoxine"

     

    Ihre Ironie ist unangebracht. Natürlich sind die hach so natürlichen Schimmelpilzgifte weit gefährlicher. Bekämpfen kann man sie entweder durch vernünftige Ernteprozesse (auch und gerade in der pööhsen industriellen Landwirtschaft) oder im Vorfeld durch Fungizide (wobei ich hinsichtlich derer Bedenklichkeit keine Aussagen zu treffen vermag).

     

    @Andrej Vogel:

     

    "einfach die Kinder wegnehmen"

     

    Ab wann habe Sie dies vor? Ab mehr als einen Burger pro Woche? Bei manchen totalitären Gedanken einiger Ernährungsideologen läuft mir ein Schauer über den Rücken. Oder sind Sie Food-Watch-Mitarbeiter und damit quasi beruflich zu einem gewissen Totalitarismus verpflichtet?

  • T
    tmeyer

    Die Ilse ist einfach ungeAignert !!

  • AV
    Andrej Vogel

    Man muss die Kinder doch nicht vor McDonalds schützen, sondern vor ihren eigenen Eltern.

    Ich esse auch ganz gerne mal eine Currywurst oder einen Döner. Ich habe echt kein Bock darauf zu verzichten, nur weil ein paar Eltern zu dumm sind, ihre Kinder richtig zu ernähren.

    Die machen ihre Kinder (tot-)krank. Da muss man nicht mehr über Fragen diskutieren, wie viele Kalorien ein Burger haben darf. Da muss man diesen Eltern einfach die Kinder wegnehmen.

  • W
    Whatever

    Selbst wenn man McDonald's und Co. an der kurzen Leine hält, haben die doch schon gewonnen:

    1. Der Name ist mal wieder im Gespräch (kennt man sich ein bisschen mit Werbung aus, weiß man, dass es erst einmal wurscht ist, ob positiv oder negativ).

    2. McDonald's kann jetzt damit prahlen, dass sie sich doch toll engagieren (weil sie schließlich Geld gegeben haben - vermutlich eine lächerlich geringe Summe, bedenkt man deren Umsatz).

    3. Da sich McDonald's und Co. so vorbildlich engagieren, drückt man vielleicht in anderen Bereichen mal ein Auge zu?

    Fazit: Frau Aigner, da ist die Tür!

  • L
    leChat

    Ich weiss nicht, Edeka ist doch ein normaler Supermarkt wie jeder andere auch? Klar gibts da Alkohol und Süßigkeiten, da gibts aber auch Obst und Gemüse. Und tatsächlich ist mein Edekacenter eines der wenigen, das eine Süßigkeitenfreie Kasse anbietet, also genau das Gegenteil einer Quengelkasse. Den Vergleich mit McDonalds kann ich jetzt nicht wirklich nachvollziehen.

  • MG
    manfred gerber

    Je früher man Menschen beeinflusst desto sicherer darf man sein eine lukrative Wirkung zu erzielen. Dass grüne Verbraucherschützer keine Sorge vor Industrieeinfluss haben wundert mich nicht.

    Bei Wahlkampfveranstaltungen in Rlp tritt man oft und gerne gemeinsam mit dem industriellen Heilsbringer Basf auf und präsentiert die kompostierbare Plastiktüte als Lösung für ökologische Katastrophen.

    Warum ist die Chemieindustrie eigentlich nicht dabei? Es ist doch auch wichtig für Heranwachsende, zu erfahren, warum Pestizide besser sind als Aflatoxine und wie Industrieengagament uns vor Produkten aus "alten Sorten" schützt.

  • ET
    Eddy Torial

    Achtet also auf "inhaltliche Neutralität"? ungefähr So: "Iss scheiß egal, Hauptsache leggee!"

  • K
    Kotzbrech

    Tja , das ist wirklich die Preisfrage : Was will McDonald's bei der Sache ? Einfach nur Geld abliefern kann es nicht sein . Den Kids punk-food als wertvolle gesunde Ernährung präsentieren , das könnte es schon eher sein . Keinesfalls wird aber Mc Donald's im Sinne haben ,bei den Kids McDonald's-punkfood (einschließlich der obligaten "fetten" Cola ) mieszumachen .

    Zu verhindern , dass Letzteres geschehen könnte , wäre eine plausible Erklärung für McDonald's Engagement .

    Also Augen auf !

  • ME
    mal ehrlich

    Die Linkspartei ärgert sich doch nur darüber, dass Gazprom nicht für eine obligatorische AgitProp-Stunde am Tag bezahlt wo Gregor und Co dann nach Fernsehuhren und politische Stimmungen bei den Eltern fragen dürfen.