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Konvention zum ArtenschutzPlan zur Rettung der Vielfalt

Die Menschheit verhandelt über neue Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität. Nächsten Frühjahr sollen sie stehen.

Der Lebensraum des Komodowaran wird kleiner – ein Thema für die Biodiversitätskonvention Foto: dpa

Berlin taz/afp | Angesichts der Klimakrise und des Eingriffs der Menschen in die Natur wird die Rote Liste bedrohter Tier- und Pflanzenarten immer länger – stark gefährdet ist nun auch der berühmte Komodowaran. Etwa 28 Prozent der mehr als 138.000 erfassten Arten gelten nunmehr als bedroht, wie die Weltnaturschutzunion (IUCN) auf ihrem Kongress am Wochenende in Marseille bekanntgab.

Von insgesamt 138.374 erfassten Arten gelten nun 38.543 als bedroht. Zahlreiche Echsen und Schildkröten wurden in höhere Bedrohungskategorien aufgenommen. Die IUCN unterteilt bedrohte Arten in drei Kategorien: „gefährdet“, „stark gefährdet“ und „vom Aussterben bedroht“.

Der Komodowaran aus Indonesien, von dem nur noch einige tausend Exemplare in freier Wildbahn leben, galt zuvor bereits als „gefährdet“. Die größte Echse der Welt wurde nun als „stark gefährdet“ eingestuft. Der Lebensraum der bis zu drei Meter langen und 90 Kilo schweren Tiere werde sowohl durch die globale Erwärmung als auch durch menschliche Aktivitäten bedroht, erklärte die IUCN.

„Es wird erwartet, dass der Anstieg der Temperaturen und damit des Meeresspiegels ihren Lebensraum in den nächsten 45 Jahren um mindestens 30 Prozent verringern wird“, warnte die Organisation. Während die Komodowarane innerhalb des Nationalparks in Indonesien „gut geschützt“ sind, seien die Tiere außerhalb „von einem erheblichen Verlust ihres Lebensraums“ durch den Menschen bedroht.

Schlechter noch als dem Komodowaran ergeht es Cantors Riesenweichschildkröte und der Riesen-Erdschildkröte. Sie wurden von „gefährdet“ beziehungsweise „stark gefährdet“ nun als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft.

Klimawandel und Überfischung bedrohen Meere

Auch mehr als ein Drittel (37 Prozent) aller mehr als tausend untersuchten Hai- und Rochenarten gelten als bedroht. 2014 waren es noch 24 Prozent. Nach Angaben der IUCN ist Überfischung ein großes Problem. 31 Prozent der Arten litten zudem unter der Verschlechterung oder dem Verlust ihres Lebensraums und zehn Prozent unter den Folgen des Klimawandels. Die Kleinen Schwarzspitzenhaie etwa wurden aufgrund des Fischereidrucks auf die Rote Liste genommen und als „gefährdet“ eingestuft. „Wir stehen kurz vor einem sechsten Massenaussterben“, sagte Craig Hilton-Taylor, der für die Erstellung der Liste verantwortlich ist. Es drohe „eine große Krise“.

Durch Tierschutzmaßnahmen konnten aber auch Erfolge erzielt werden, betonte die IUCN. Vier Thunfischarten konnten sich demnach dank der Umsetzung regionaler Fangquoten erholen. Von den sieben am stärksten befischten Arten wurden diese vier demnach in der Roten Liste zurückgestuft. Spektakulär verbessert habe sich der Bestand des atlantischen Roten Thuns, einer bislang stark gefährdeten Thunfischart, der von der Liste genommen wurde.

Die Biodiversitätsbeauftragte der IUCN, Jane Smart, sagte: „Das zeigt, dass Artenschutz funktioniert. Wenn wir die richtigen Dinge tun, vermehrt sich eine Spezies.“ Sie mahnte jedoch, „wachsam zu bleiben“. Die Erkenntnisse dürften kein „Freifahrtschein“ etwa für die Fischerei sein. Trotz der Verbesserungen sind laut IUCN viele regionale Thunfischbestände noch immer erschöpft. Der IUCN-Kongress berät in Marseille noch bis zum 11. September über den Erhalt der Artenvielfalt.

Auch die Vertragsstaaten der Konvention zur biologischen Vielfalt (CBD) suchen gerade Antworten auf die Herausforderung des Artensterbens. Soll die Menschheit 30 Prozent der Erde unter Naturschutz stellen? Oder nur 20 Prozent, dafür aber richtig? Vergangene Woche haben die Vertragsstaaten der UN-Biodiversitätskonvention (CBD) die weiteren Verhandlungen dazu vorbereitet, die im Frühjahr in einen neuen strategischen Plan münden sollen. Mit ihm wird die Konvention zum Erhalt der biologischen Vielfalt künftig umgesetzt.

China und Russland verzögern Verhandlungen

„Diese Verhandlungsrunde war offener und fairer als die bisherigen“, sagt Friedrich Wulf von der Schweizer Naturschutzorganisation Pro Natura. Die Umweltverbände versuchen, die Themen nachhaltige Landnutzung sowie die Rechte indigener Bevölkerung starkzumachen. Vor allem einige Länder des Globalen Südens wehren sich gegen Pläne, ein Drittel ihres Landes unter Schutz zu stellen. Auch China und Russland sprechen sich gegen weiträumige Schutzgebiete aus. „China ist die größte Fischerei-Nation der Welt, Russland hat Interessen vor allem in der Antarktis“, sagt Thilo Maack, der die UN-Verhandlungen für Greenpeace verfolgt. „Beide Staaten verzögern Einigungen, so lange sie können“, kritisiert er. Der strategische Plan für den Erhalt der Biodiversität sei wichtig, aber nur, „wenn die Ziele diesmal auch überprüft und umgesetzt werden“.

Lediglich einen Beobachterstatus haben die USA bei den Verhandlungen. Obwohl sie die CBD einst mit ausgearbeitet haben, haben sie die Konvention nicht unterzeichnet. Die Gegner einer Ratifizierung befürchteten, dass der Vertrag die Souveränität der USA einschränken und Unternehmen behindern könnte. So enthält die CBD einen Anhang, das sogenannte „Nagoya-Protokoll“, das Ländern die Rechte an ihrem „genetischen Eigentum“ sichert, also etwa an Pflanzen, die sich zu Medikamenten verarbeiten lassen. Doch auch ohne UN-Konvention betreiben die USA ihre eigene Biodiversitätspolitik, die auf dem Gesetz über gefährdete Arten von 1973 beruht. Und ganz im Einklang mit der Debatte in den UN-Verhandlungen hatte der demokratische Präsident Joe Biden in diesem Frühjahr angekündigt, 30 Prozent der Land- und Wasserflächen der USA zu schützen. Bislang sind nur 12 Prozent der US-Landfläche formell geschützt. Wie Biden den Schutz der Artenvielfalt, insbesondere auf privatem Land, definieren wird, ist jedoch unklar.

Umweltverbände haben Biden aufgefordert, die Ratifizierung der CBD erneut zu versuchen. Nötig wäre es. „Für die Hohe See – dem Teil der Ozeane außerhalb nationaler Hoheitsgewässer mit einer Fläche von 43 Prozent der Erdoberfläche – gibt es derzeit keine umfassenden Schutzinstrumente“, sagt Maack von Greenpeace, „hier zerstören Fischerei, Tiefseebergbau und Öl- und Gasgewinnung wichtige Ökosysteme“.

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