Konsequenzen aus der Signa-Pleite: Kontrolle ist besser
Die Linke fordert die großflächige Einführung eines „Seriositätschecks“ für windige Großinvestoren. Die Begeisterung des Senats hält sich in Grenzen.
„Die Signa-Pleite lehrt uns, dass wir zukünftig genauer hinsehen müssen, mit welchen Personen und Unternehmensgeflechten wir künftig Geschäfte machen“, sagt Sebastian Schlüsselburg, der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion, zur taz. 2020 hatte der Senat Signa Zugeständnisse für Bauprojekte gemacht, wenn im Gegenzug mehrere Galeria-Kaufhäuser erhalten bleiben. Ein Deal, vor dem damals bereits gewarnt wurde.
Auch wenn Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) inzwischen klargemacht hat, dass die Vereinbarung „überholt“ sei, „weil der Vertragspartner nicht mehr handlungsfähig ist“: Geschäfte dieser Art ließen sich vermeiden, wenn Investoren „ab einem bestimmten Schwellenwert oder einer bestimmten Grundstücksgröße“ einem „Seriositätscheck“ unterzogen werden, ist Sebastian Schlüsselburg überzeugt.
Vor allem ein Instrument hat der Linken-Politiker dabei im Blick: die bereits 2021 für die Geldwäscheaufsicht der Senatswirtschaftsverwaltung beschaffte und später auch Polizei und Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellte Orbis-Datenbank, die Informationen über mehr als 400 Millionen Unternehmen weltweit enthält. Eine Recherche mit diesem Tool zeige auf, „mit wem wir es zu tun haben, wer der tatsächliche wirtschaftliche Berechtigte ist und wie wahrscheinlich ein Kollaps des Geflechtes ist“, sagt Sebastian Schlüsselburg.
Endlose Datentabellen mit Mehrwert
Wozu Orbis in der Lage ist, wird an einem Mitte März unter Nutzung der Datenbank erstellten Bericht der Wirtschaftsverwaltung zu den Hunderten Signa-Gesellschaften sichtbar. Nach Lektüre der rund 70 Seiten mit endlosen Datentabellen zu einzelnen Beteiligungen, die das wacklige Gesamtkonstrukt offenlegt, hätte schon vor der Pleite jedes weitere Geschäft mit Signa ausgeschlossen werden müssen.
Die Linke fordert nun, dass Orbis auch in den Bezirken und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bei zweifelhaften Investoren im Bau- und Stadtplanungsbereich eingesetzt wird. Es sei gerade hier besser, „einmal mehr hinzusehen, als einem windigen Investor Fördermittel, Baurechte und Grundstücke zu geben oder mit ihm städtebauliche Verträge abzuschließen“, so Schlüsselburg.
Beim schwarz-roten Senat stößt der Vorschlag bislang auf taube Ohren. Schon in der Vorbemerkung zur Signa-Recherche hatte Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) signalisiert, dass für die Landesregierung „der flächendeckende Einsatz von Orbis im Vorfeld von Ansiedlungen und Investitionen“ nicht infrage komme. Schließlich sei, so Giffey, die Politik des Senats „vom Gedanken der Wirtschaftsfreiheit“ getragen und nicht davon, „Investoren unter einen Generalverdacht zu stellen“.
Eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Abwehrhaltung dürften angesichts der desolaten Berliner Haushaltslage die Kosten spielen. So zahlen Wirtschaftsverwaltung, Polizei und Staatsanwaltschaft zusammen rund 250.000 Euro im Jahr für ihre Lizenzen. Giffey lobt in ihrem Bericht dann auch lieber die weitaus kostengünstigeren „gewachsenen Prüfstrukturen“ der Stadtentwicklungsverwaltung über den grünen Klee.
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