Kongresswahlen in Argentinien: Mehrheit trotz Wahlschlappe
Cristina Kirchners Regierungspartei verliert über 20 Prozentpunkte. Damit ist klar, dass sie nicht wieder als Präsidentin kandidieren kann.
BUENOS AIRES taz | Bei den Kongresswahlen in Argentinien hat die Regierungspartei „Frente para la Victoria“ („Front für den Sieg“ – FPV) von Präsidentin Cristina Kirchner eine schwere Niederlage erlitten. Sowohl in der Hauptstadt als auch in der bevölkerungsreichsten Provinz Buenos Aires musste sie deutliche Verluste hinnehmen. Nach Auszählung von 97 Prozent der Stimmen kommt die FPV landesweit auf knapp 33 Prozent der Stimmen. Sie ist damit zwar weiterhin die stärkste politische Kraft. Im Vergleich zu den Wahlen von 2011 verlor sie aber über 20 Prozent.
Trotz dieser herben Schlappe konnte sie ihre Mehrheit im Kongress verteidigen. Wie das geht? Alle zwei Jahre werden die Hälfte der Abgeordneten und ein Drittel der Sitze im Senat neu gewählt. Am Sonntag ging es um die Abgeordnetenmandate aus der Wahl von 2009 und die Senatorensitze von 2007. Bereits bei den Kongresswahlen von 2009 steckte die FPV eine herbe Niederlage ein und kam landesweit sogar auf nur 30 Prozent der Stimmen. Bei den Wahlen von 2011 holte sie jedoch über 50 Prozent der Stimmen und gewann damit die Mehrheit in beiden Kammern zurück.
Mit dem mageren Ergebnisses vom jetzigen Sonntag verteidigte die FPV ihre 47 Mandate im Abgeordnetenhaus und verlor im Senat lediglich zwei Sitze. Auch zukünftig verfügt sie zusammen mit kleineren Bündnispartnern im Abgeordnetenhaus mit insgesamt 132 Mandaten und im Senat mit 39 Mandaten über die Mehrheit.
Fest steht damit aber, dass Cristina Kirchner nach ihrer zweiten Amtszeit in Folge bei der Präsidentschaftswahl 2015 nicht wieder kandidieren kann. Eine immer wieder ins Spiel gebrachte Verfassungsänderung ist vom Tisch. Die gesamte Opposition hat sich bereits dagegen ausgesprochen und die FPV verfügt nicht über die nötige zwei Drittel-Mehrheit im Kongress.
Ein großer Gewinner: Sergio Massa
Großer Gewinner ist Kirchners Rivale Sergio Massa. Der 41-jährige Bürgermeister der Stadt Tigre und von 2008 bis 2009 Kabinettschef von Cristina Kirchner, setzte sich mit seinem Wahlbündnis „Frente Renovador“ („Front der Erneuerung“ – FR) mit einem Stimmenanteil von 44 Prozent in der bevölkerungsreichen Provinz Buenos Aires klar durch. Der FPV-Kandidat kam lediglich auf knapp 33 Prozent der Stimmen.
Die Provinz Buenos Aires ist deshalb so wichtig, weil hier ein Drittel der Wahlberechtigten lebt. Mancher Bürgermeister braucht hier um zu gewinnen mehr Stimmen als ein Provinzgouverneur. Massa gilt nach diesem Erfolg denn auch als aussichtsreicher Kandidat für die Präsidentschaftswahl in zwei Jahren. Seine FR charakterisiert er selbst als eine politisch moderate Partei der Mitte mit einer keynesianistischen Ausrichtung in der Wirtschaftspolitik. Sollte er sich als Kandidat aufstellen, wird er vor allem in den anderen Provinzen nach Bündnispartner suchen müssen.
In der Hauptstadt Buenos Aires landete die FPV lediglich auf dem dritten Platz. Sieger wurde die Partei des Unternehmers und Bürgermeisters der Hauptstadt Buenos Aires, Mauricio Macri, „PRO“ mit knapp 35 Prozent der Stimmen. Insgesamt gewann die rechte Partei sieben Abgeordnetenmandate und drei Senatorensitze hinzu und konnte damit als einzige Partei tatsächlich zulegen.
Im zukünftigen Kongress stellt sie 21 Abgeordnete und erstmals drei Senatoren. Macri gab noch am Wahlabend seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2015 bekannt. In der Hauptstadt hat er damit durchaus Chancen, in den Provinzen fehlt ihm jedoch jegliche Parteistruktur.
Überraschend zieht der Filmemacher Fernando „Pino“ Solanas in den Senat ein. Solanas setzte sich damit in der Hauptstadt als Kandidat eines linksliberalen Bündnisses gegen den Kirchnerkandidaten Daniel Filmus durch. Mit dem Thema Plünderung der nationalen Rohstoffe ist Solanas einer der wenigen Kongressmitglieder, der die Kirchner-Regierung erfolgreich von links kritisiert.
Jugendliche konnten ab 16 Jahre wahlen
Landesweit zweitstärkste Kraft wurde mit knapp 24 Prozent der Stimmen das linksliberale Bündnis aus Radikaler Bürgerunion, Sozialisten und Liberalen, das auch im zukünftigen Kongress mit 61 Abgeordneten und 19 Senatoren die zweitstärkte Kraft ist. Einen überraschenden Erfolg erzielte ein linkes Bündnis aus Sozialisten und Kommunisten, das in den nördlichen Provinzen Salta und Jujuy über 15 Prozent der Stimmen erhielt und zukünftig mit drei Abgeordneten im Parlament vertreten ist.
Bei der Wahl am Sonntag waren 30,5 Millionen Wahlberechtigte zur Stimmabgabe darunter erstmals auch 600.000 Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren. In Argentinien herrscht Wahlplicht, dennoch lag die Wahlbeteiligung bei rund 77 Prozent.
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