Kongos M23-Rebellen übergeben Gefangene: Endstation für den ruandischen Völkermordgeneral
FDLR-General Stany Gakwerere war der höchstrangige noch aktive Täter des Völkermords an Ruandas Tutsi 1994. Jetzt ist er in Ruanda in Haft.

Jetzt wurde Gakwerere von den Rebellen der M23 (Bewegung des 23. März) geschnappt und Ruandas Behörden übergeben. Die von kongolesischen Tutsi gegründete M23 hat in den vergangenen Wochen mit Unterstützung Ruandas die ostkongolesischen Millionenstädte Goma und Bukavu erobert und das gesamte Grenzgebiet unter Kontrolle gebracht.
In Sonnenbrille, Kappe, einer nagelneuen kongolesischen Armeeuniform mit kongolesischer Nationalflagge am Revers und weißen Turnschuhen wurde General Gakwerere am Samstag am Grenzposten von ruandischen Polizisten abgetastet. Dazu musste er die Arme heben. Dann ging es im Stechschritt durch den Metalldetektor. Seinem Gesichtsausdruck war anzusehen: Da war nicht mehr viel übrig vom stolzen General, der beim Interview mit der taz 2012 in Ostkongos Dschungel siegessicher erklärte: „Wir werden das Regime in Ruanda unter dem Despoten Kagame stürzen!“
Für Ruandas Präsident Paul Kagame, der 1994 als Tutsi-Rebellenführer das für den Völkermord verantwortliche Hutu-Regime Richtung Kongo verjagt hatte, gilt die FDLR bis heute als Sicherheitsrisiko. Ihre Präsenz in der DR Kongo rechtfertigt aus Kagames Sicht auch Ruandas militärische Unterstützung der M23.
Nachfolgeorganisation der Völkermordarmee
Die FDLR ist die Nachfolgeorganisation der ruandischen Hutu-Armee, die maßgeblich den Völkermord an den Tutsi in Ruanda 1994 verübte und dann nach Ostkongo floh, wo Ruandas neue Regierung sie danach immer wieder quer durch das Land jagte. Die Hutu-Offiziere, die das Massenschlachten akribisch geplant und befohlen hatten, setzten sich ab 2001 in den dichten Wäldern Ostkongos fest – mit dem erklärten Ziel, Ruanda zurückzuerobern. Mehrfach begingen sie gezielte Angriffe, zum Teil mit Unterstützung der kongolesischen Armee. Im Jahr 2021, so die Aussage eines demobilisierten Leibwächters der obersten FDLR-Militärführung gegenüber der taz, schloss die FDLR mit Kongos Armeeführung ein Abkommen, „um ihnen im Kampf gegen die Tutsi zu helfen“.
Gakwereres Name taucht in den Gerichtsakten des UN-Ruanda-Völkermordtribunals (ICTR) auf. Der heute 61-Jährige war 1994 als junger Leutnant in der Unteroffiziersschule im südruandischen Butare ein direkter Untergebener von Oberst Ildephonse Nizeyimana, dem sogenannten Schlächter von Butare. Dieser wurde 2014 vom ICTR zu lebenslanger Haft verurteilt. Unter anderem hatte er, so das Gericht, den Befehl, Ruandas letzte Tutsi-Königin zu ermorden: Rosalie Gicanda, Witwe des 1959 verstorbenen letzten ruandischen Königs.
Auf Nizeyimanas Befehl hin wurde die 80-Jährige damals aus ihrem Haus geholt und in einem Wald nahe Butare erschossen. Gakwerere war einer der Beteiligten, möglicherweise auch einer der direkten Mörder, sagten Zeugen in Arusha aus. Aus diesem Grund galt Gakwerere, bekannt unter dem Kriegsnamen „Stany“, innerhalb der FDLR als einflussreicher Offizier – und ideologischer Führer.
In der Kommandostruktur war er zuletzt zuständig für die verbliebenen 200 bis 300 FDLR-Kämpfer in der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu, deren Hauptstadt Goma ist, insbesondere für die Spezialeinheit CRAP, zuständig für verdeckte Operationen hinter den feindlichen Linien. Er war in der FDLR-Führung zuletzt die Nummer zwei, direkt hinter FDLR-Militärchef General Omega, der eigentlich Pacifique Ntawunguka heißt.
Omega und Stany waren seit 2022 mit ihren CRAP-Einheiten im kongolesischen Militärlager Mubambiro stationiert, rund 20 Kilometer westlich von Goma. In dieser Militärbastion waren außerdem südafrikanische Soldaten sowie rumänische Militärausbilder untergebracht. Alle gemeinsam sollten mit Kongos Armee gegen einen gemeinsamen Feind kämpfen: die M23-Rebellen und deren Hilfstruppen aus Ruanda.
Laut Angaben eines desertierten Leibwächters von FDLR-General Omega war Stany für die Koordination der Operationen zwischen der FDLR und Kongos Armee zuständig. Die CRAP-Einheiten galten für Kongos Armee als Speerspitze, für ihre verdeckten Operationen erhielten sie Waffen und Munition sowie kongolesische Uniformen.
FDLR-Militärchef ist nach Burundi geflohen
Während der letzten Friedensverhandlungen zwischen Kongo und Ruanda, die im Dezember gescheitert waren, hatte Ruanda gefordert, dass Kongos Armee die Zusammenarbeit mit der FDLR beendet. Daraufhin startete Kongos Armee einen halbherzigen Versuch, die FDLR zu verjagen. FDLR-Militärchef Omega wurde jedoch gewarnt und flüchtete ins Nachbarland Burundi, wo er gute Kontakte hat. Sein Stellvertreter Gakwerere blieb in Mubambiro und wurde Operationskommandant.
Laut Angaben aus Ruandas Armee wurde er nun bei „Militäroperationen“ gefasst – Mubambiro fiel an die M23 im Zuge ihrer Offensive zur Einnahme Gomas Ende Januar. Bevor die M23 die FDLR-Kämpfer an Ruanda übergab, präsentierten sie sie vor laufender Kamera – einer war gerade einmal 13 Jahre alt, wie er selbst angab.
Es sei wahrscheinlich, so Ruandas Armee, dass sich weitere FDLR-Einheiten in den von der M23 kontrollierten Gebieten verstecken, heißt es aus Ruanda.
Kongos Armee behauptet hingegen, die ganze Überstellungsaktion sei eine „Manipulation“ Ruandas. Als Beweis führen sie an, der junge FDLR-Unteroffizier Patrick Ishimwe, einer der Überstellten vom Samstag, sei bereits im Januar geschnappt und nach Ruanda gebracht worden. Er habe im Gefängnis gesessen und sei nun neu präsentiert worden. Nach dieser Darstellung arbeite auch Gakwerere „seit Langem“ für Ruanda.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!