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Kongolesischer Flüchtling in GriechenlandDer Musterschüler

Sein erster Versuch, Kongo zu verlassen, endet dramatisch. Doch schließlich landet Julien in Griechenland – und schafft neue Maßstäbe.

Julien spricht jetzt griechisch Foto: Jannis Papadimitriou

Athen taz | Erst beim zweiten Versuch klappte es mit der Flucht vor dem Bürgerkrieg in seinem Heimatland, erinnert sich Julien. Ein wenig schüchtern wirkt der junge Mann. Er spricht langsam, das aber in perfektem Griechisch. Etwas Englisch und Französisch hat er auch schon auf der Schule im Kongo gelernt. Von der Vergangenheit will Julien aber nicht viel erzählen.

Noch immer fühlt er sich etwas unsicher in griechischen Gefilden, wie es scheint. Nur so viel will er verraten: Sein erster, vergeblicher Fluchtversuch ins Nachbarland Kongo-Brazzaville mit dem Boot und mit mehreren Verwandten an Bord endete tödlich für seinen Bruder. Doch beim nächsten Anlauf im Jahr 2011 hatte Julien Glück und kam auf dem üblichen Weg über die Türkei nach Griechenland, auch wenn Mittelsmänner und sogar Landsleute ihm Stolpersteine in den Weg gelegt hätten.

Seinen Asylantrag stellte der junge Afrikaner gleich nach der Einreise im ostgriechischen Städtchen Orestiáda. Vermutliche Bearbeitungszeit: mehrere Monate oder sogar Jahre. Lange musste sich der Neuankömmling deshalb auf den Straßen Athens durchschlagen, bis er per Richterbefehl nach Konitsa beordert wurde. Dass ein Asylsuchender aus Afrika ausgerechnet in diesem idyllischen Städtchen nahe der albanischen Grenze seinen Seelenfrieden findet, lag nicht zuletzt am Ortsvorsteher Andreas Papaspyrou. Denn er war einer der wenigen Bürgermeister in Griechenland, die Flüchtlinge aus Afrika, Syrien oder Afghanistan ausdrücklich willkommen hießen.

Das hat er den zuständigen Behörden in Athen ausdrücklich mitgeteilt und in der eigenen Gemeinde souverän durchgesetzt. Notdürftig wurde ein verlassenes Jugendhaus in Konitsa zum Asylheim umfunktioniert, in dem hundert Menschen Zuflucht finden können. Julien war einer von ihnen. „Kaum angekommen hatte ich nur einen Wunsch: Ich wollte zur Schule gehen, die Sprache möglichst gut lernen und in der Gemeinschaft ankommen“, sagt er der taz.

Unendliche Stunden Einzelunterricht

Mit diesem Anliegen hatten die Lokalbehörden nicht unbedingt gerechnet. Julien war überrascht, dass sein Wunsch nicht sofort erfüllt wurde. „Bildung ist alles, hat mein Vater gesagt. Ich habe immer versucht, diese Worte zu beherzigen und mich danach zu richten“, sagt der 22-Jährige. Letzten Endes wurde seine Hartnäckigkeit belohnt. Nach der vorgesehenen Griechischprüfung besuchte der Neuankömmling die Realschule von Konitsa und hatte das Glück, dort die richtigen Menschen zu treffen.

„Mein größter Dank geht an Lehrerin Gianna Nikou, die immer für mich da war. Sie war auch bereit, unendliche Stunden Einzelunterricht zu geben – und das ohne Bezahlung“, schwärmt Julien. Über seinen Wissensdurst hatten sich viele Mitbewohner im Heim anfangs lustig gemacht. Doch als die ersten guten Noten kamen, wollten die meisten nachziehen und selbst zur Schule gehen.

Heute bekommen wir diese Zuneigung zurückgezahlt

Bürgermeister Papaspyrou

Das Endergebnis hat alle Erwartungen übertroffen: Der junge Migrant aus Afrika schaffte seine Aufnahmeprüfung für die Fachhochschule Elektrotechnik in Piräus mit Bravour und mit den landesweit besten Noten in diesem Fach. 19,8 lautet seine Abschlussnote auf einer Skala von 1 bis 20. In Deutschland würde dies einer 1,1 entsprechen. Dazu kommen weitere gute Nachrichten: Seinem Asylantrag wurde stattgegeben.

Fast zeitgleich schaffte es auch seine Schwester nach Europa und lebt heute in Italien. „Wir haben von Anfang an versucht, diesem jungen Mann zu helfen. Heute bekommen wir diese Zuneigung zurückgezahlt“, freut sich Bürgermeister Papaspyrou und fügt hinzu, er könne nur hoffen, dass Julien nach dem Studienabschluss zurückkommt und in Konitsa als Telekommunikationsexperte arbeitet. Das ist gut möglich.

Wobei Julien auch daran denkt, einen Master zu machen, vielleicht im Ausland. Sollte er erneut auswandern, will er auf jeden Fall nach Griechenland zurückkommen und hier arbeiten. Trotz der nicht enden wollenden Wirtschaftskrise? „Ich muss nicht viel Geld verdienen“, sagt er. „Hauptsache, ich fühle mich glücklich in meiner neuen Heimat.“

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1 Kommentar

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  • Gutes Beispiel wie Integration, nämlich letztlöioch so viel in die Keute investieren ,wie wir auch in den eigenen Nachwuchs steclen würden.

    Frage: Was an Infrastruktur ist nötig? Daran kann dann abgeschätzt werden wie hoch der Aufwand sein wird was das kostet (wie immer) und ob die Bevölkerung bereitg sit sdieen Weg mitzugehen.

    Und aber auch je nach Akzeptanz oder Ablehnung wo dann der machbare Weg ist.