Konflikte zwischen Einwanderergruppen: Importierter Zündstoff
Die Angst wächst, dass Einwanderer politische Konflikte auch in Deutschland austragen. Migrantenvertreter rufen zur Besonnenheit auf.
Der Kommentar sorgte im Netz für einige Aufregung. Denn Madlen Vartian ist Vizevorsitzende des Zentralrats der Armenier in Deutschland, Sprecherin des „christlich-alevitischen Freundeskreises in der CDU“ und sitzt im Vorstand der CDU Köln-Ehrenfeld.
Auch wenn sie ihren Beitrag inzwischen gelöscht hat, dürfte ihr Amoklauf ein Nachspiel haben: Strafanzeigen wurden gestellt, und in ihrer Partei stößt ihr Verhalten übel auf. „Das ist völlig inakzeptabel“, sagt die CDU-Abgeordnete Cemile Giousouf der taz. „Wir werden uns intern damit befassen“. Und CDU-Generalsekretär Peter Tauber twitterte: „Da hat jemand nicht verstanden, welche Werte die CDU ausmachen.“
Der Fall wirft ein Schlaglicht auf Spannungen zwischen Minderheiten in Deutschland, die durch die jüngsten Entwicklungen neuen Zündstoff erhalten. Viele Armenier hegen Vorbehalte gegenüber Türken, weil deren Staat den Völkermord an den Armeniern bis heute leugnet. Orientalische Christen, aber auch Aleviten und Jesiden sind durch den Vormarsch der IS-Milizen und die Brutalität des syrischen Bürgerkriegs verunsichert und verbittert, Muslime haben Angst vor wachsendem Islamhass. Die Konflikte in der Region schlagen sich auf die Stimmung unter den eingewanderten Minderheiten in Deutschland nieder.
Aiman Mazyek „sehr besorgt“
„Gerade jetzt müssen wir dafür sorgen, kein Öl ins Feuer zu gießen, damit solche Konflikte nicht nach Deutschland getragen werden“, sagt Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime. „Das Letzte, was wir brauchen, sind politische Geisterfahrer, die an der Eskalationsschraube drehen“, sagt er mit Blick auf Madlen Vartian.
„Sehr besorgt“ ist er darüber, wie der Krieg zwischen der Türkei und der PKK-Guerilla wieder an Schärfe zunimmt. Kurdische und türkische Einwanderer aus der Türkei stellen die größte Minderheit in Deutschland, darum ist dieser Konflikt besonders explosiv. Erst vor ein paar Wochen gab es einen Übergriff auf eine Moschee in Baden-Württemberg, die Schmierereien ließen auf PKK-Sympathisanten als Täter schließen. „Der Vorsitzende der Moschee ist selbst Kurde“, sagt Aiman Mazyek kopfschüttelnd. Seit dem vergangenen Jahr haben Zusammenstöße zwischen nationalistischen Kurden und Türken zugenommen.
Es gebe eine „große Emotionalisierung“ auf beiden Seiten, sagt Ali Ertan Toprak, der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland. „Erstmalig in der Geschichte“ habe er deswegen jüngst eine gemeinsame Erklärung mit der Türkischen Gemeinde abgegeben, in der beide Seiten zur Besonnenheit aufriefen.
Die kurdische Gemeinde fordert, die türkischen Grauen Wölfe zu verbieten, die sie für Übergriffe auf Kurden auch in Deutschland verantwortlich macht. Jugendliche, die sich mit Handzeichen und Symbolen zu diesen Ultranationalisten bekannten, prägten in den letzten Wochen die Kundgebungen in Städten wie Berlin, Hamburg oder Hannover, wo Hunderte „gegen den Terror der PKK“ auf die Straße gingen.
Angst vor „Pegida-ähnlichen Aufmärschen“
Den Vorwurf, sich nicht genug von der hierzulande offiziell verbotenen PKK zu distanzieren, weist Toprak zurück. Seine kurdische Gemeinde vertritt allerdings vor allem jene Kurden, die sich von den traditionellen Verbänden nicht angesprochen fühlen. Ihr Einfluss auf nationalistische kurdische Jugendliche ist begrenzt.
„Wenn wir die Konflikte nicht unter Kontrolle bringen, werden wir vor Weihnachten wieder bundesweite, Pegida-ähnliche Aufmärsche haben“, fürchtet Toprak. „Wir müssen deutlich machen, dass wir ähnliche Ängste wie die Mehrheitsbevölkerung haben, und uns in unseren Communities dafür einsetzen, dass es friedlich bleibt“, sagt er.
Die Sicherheitsbehörden sind alarmiert. „Die gewaltsamen Auseinandersetzungen in einigen deutschen Großstädten in den letzten Wochen haben gezeigt, dass die aufgeheizte Stimmung sowohl auf kurdischer als auch auf türkischer Seite jederzeit zu einer spontanen Gewalteskalation führen kann“, sagt Verfassungsschutzchef Maaßen. „Solange beide Parteien in der Türkei nicht zu ihrer friedlichen Linie zurückkehren, sind die dortigen Auseinandersetzungen immer auch Anlass zur Sorge um die innere Sicherheit in Deutschland.“
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