Konflikt zwischen Russland und Ukraine: Regierung in Kiew hält an Krim fest
Erneut wurde OSZE-Beobachtern der Zugang zur Halbinsel verwehrt. Prorussische Uniformierte gaben Warnschüsse ab. Immerhin: Ukrainer und Russen reden miteinander.
BERLIN/MOSKAU dpa/afp | Mit Warnschüssen haben prorussische Uniformierte auf der Krim OSZE-Militärbeobachtern den Zugang zur Schwarzmeer-Halbinsel verwehrt. Die bewaffneten Männer hätten am Samstag mit zwei abgefeuerten Salven die Weiterfahrt des Busses mit den Experten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verhindert, hieß es aus diplomatischen Kreisen in Wien. Eine OSZE-Sprecherin sagte, bei dem Zwischenfall in der Nähe des Kontrollpunktes Armjansk im Norden der Krim sei niemand verletzt worden.
Eine Woche vor Krim-Referendum über einen Anschluss an Russland forderten US-Präsident Barack Obama und Kanzlerin Angela Merkel erneut den Rückzug russischer Soldaten von der zur Ukraine gehörenden Halbinsel. Moskau drohte den USA im Falle von Sanktionen mit einem Stopp der gegenseitigen Inspektionen unter anderem von Atomwaffenarsenalen. Ein Hoffnungszeichen kam aus Moskau: Dort trafen sich erstmals seit Beginn der Krim-Krise Regierungsvertreter von Russland und der Ukraine zu einem direkten Gespräch.
Prorussische Einheiten kontrollieren seit einer Woche die mehrheitlich von Russen bewohnte Krim. Moskau bestreitet jedoch, Soldaten außerhalb vereinbarter Gebiete einzusetzen. Bewaffnete in Uniformen ohne Hoheitsabzeichen seien „Selbstverteidigungskräfte“, die nicht unter dem Kommando des Kreml stünden.
Die OSZE-Experten sollen die militärischen Aktivitäten Russlands auf der Krim beobachten. Moskautreue Bewaffnete hatten den Militärbeobachtern bereits am Donnerstag und Freitag mehrfach den Zugang zu der Schwarzmeerhalbinsel versperrt. Die OSZE-Mission ist bis zum kommenden Mittwoch befristet.
„Unfreundliche Geste“
Der Westen hatte Russland eindringlich aufgefordert, zur Entspannung der Lage aktiv beizutragen. In Moskau kam der russische Vizeaußenminister Grigori Karassin mit dem ukrainischen Botschafter Wladimir Jeltschenko zusammen. „In aufrichtiger Atmosphäre wurden Fragen der russisch-ukrainischen Beziehungen besprochen“, teilte das russische Außenministerium mit.
Die Lage auf der Krim ist aus westlicher Sicht weiterhin sehr gefährlich. Regierungssprecher Steffen Seibert teilte am Samstag in Berlin mit, Merkel und Obama seien sich "in der Einschätzung des inakzeptablen russischen Vorgehens" einig gewesen. Die beiden Politiker forderten nach Angaben des Weißen Hauses, Russland müsse rasch der Bildung einer internationalen Kontaktgruppe zustimmen. Sie solle zu einem direkten Dialog zwischen der Ukraine und Russland führen.
Die USA und die EU hatten in dieser Woche erste Sanktionen gegen Russland beschlossen. Sollte Moskau im diplomatischen Konflikt um die Krim nicht einlenken, will die EU Einreiseverbote und Kontensperrungen verhängen. Im Extremfall will Brüssel auch wirtschaftliche Sanktionen beschließen.
Ein Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums in Moskau sagte zu den gegenseitigen Waffeninspektionen der USA und Russland, die Kontrolle etwa von Atomarsenalen erfordere Vertrauen. Die „unbegründeten Drohungen“ der USA und der Nato seien aber eine „unfreundliche Geste“, zitierte ihn am Samstag die Agentur Itar-Tass. Russland und die USA hatten sich in einem seit 2011 gültigen Vertrag zu einer Verringerung strategischer Offensivwaffen sowie zu gegenseitigen Besuchen von Inspekteuren verpflichtet.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow forderte den Westen zu einem „Dialog ohne Beschuldigungen“ auf: „Wir sind zu partnerschaftlichen Gesprächen bereit – allerdings akzeptieren wir keine Versuche, uns als einen Beteiligten des Konflikts in der Ukraine hinzustellen“, sagte er laut der Agentur Interfax.
„Die Krim war, ist und bleibt ukrainisch“
Die ukrainische Regierung bekräftige am Samstag mit Nachdruck ihren Gebietsanspruch auf die Halbinsel. „Die Krim war, ist und bleibt ukrainisch“, sagte Außenminister Andrej Deschtschiza in Kiew. Die Bürger der Halbinsel sollen am 16. März über einen Beitritt zu Russland abstimmen. Die über Jahrhunderte russische Halbinsel gehört völkerrechtlich zur Ukraine, die das Vorgehen Moskaus für einen Bruch internationalen Rechts hält.
Die neue Führung der Ukraine will die Todesschüsse während der Proteste im Februar in Kiew von einem Parlamentsausschuss untersuchen lassen. Damit reagiert die Regierung auf Gerüchte, wonach Gegner des gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch selbst Scharfschützen engagiert haben könnten. Bei den blutigen Zusammenstößen waren etwa 100 Menschen ums Leben gekommen und Hunderte verletzt worden.
Die polnische Regierung evakuierte am Samstag das Konsulat des Landes in Sewastopol auf der Krim. Grund seien „die von den bewaffneten russischen Kräften ausgelösten Spannungen“, schrieb Außenminister Radoslaw Sikorski im Onlinekurzbotschaftendienst Twitter. „Alle Mitarbeiter unseres Konsulats wurden weggebracht, sie befinden sich derzeit allesamt in Sicherheit“, hieß es dort weiter.
Timoschenko zur Behandlung in Berlin
Unterdessen wird die frühere ukrainische Ministerpräsidentin Julia Timoschenko in der Charité in Berlin wegen mehrerer Bandscheibenvorfälle behandelt. Sie habe „erhebliche Schmerzen“, sagte der Vorstandsvorsitzende des Universitätsklinikums, Karl Max Einhäupl, am Samstag in Berlin. Die behandelnden Ärzte würden in den nächsten Tagen noch mehrere diagnostische Schritte einleiten und spätestens am Montag entscheiden, wie die Therapie aussehe. Noch sind die Ärzte demnach nicht sicher, ob eine Operation notwendig ist. Timoschenko war am Freitagabend im Klinikum in Berlin eingetroffen. Wie lange die Behandlung dauern wird, konnten die Ärzte noch nicht sagen.
Laut Einhäupl sind drei Lendenwirbel Timoschenkos betroffen. Bei mehreren Vorfällen zwischen 2011 und 2013 seien sie herausgetreten. Zurzeit erhält Timoschenko eine sogenannte konservative Behandlung, Physiotherapie und Krankengymnastik. Über eine Operation entscheiden die Ärzte später. „Wir müssen erst klären, woher die Schmerzen kommen“, sagte Einhäupl.
Timoschenko bezahlt nach Angaben von Einhäupl die Behandlung selbst. „Wir sind zuversichtlich, dass sie wieder frei laufen wird“, sagte Einhäupl zu den Aussichten der Patientin. Timoschenko sei „sehr erleichtert“ gewesen, als sie in der Charité eingetroffen sei. „Sie hat einen starken Willen, sich der Therapie zu stellen.“ Ihre Gesundheit stehe im Vordergrund und nicht der Zeitpunkt ihrer Rückkehr in die Ukraine, habe sie gesagt.
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