piwik no script img

Konflikt zwischen Äthiopien und EritreaHistorische Versöhnung

Äthiopiens neuer Reformpremier schließt endlich Frieden mit dem Nachbarn und Erzfeind Eritrea. Beide Regierungen ziehen daraus Vorteile.

Zeichen der Annäherung: Die Flaggen Äthiopiens und Eritreas wehen im Wind Foto: reuters

Nairobi taz | Eröffnung von Botschaften, Herstellung von Telefonverbindungen, Wiederaufbau von wirtschaftliche Beziehungen – das sind einige der Verabredungen beim historischen Besuch des äthiopischen Premierministers Abiy Ahmed am Sonntag beim ehemaligen Erzfeind Eritrea. In einer Show von Wärme umarmte Abiy den eritreischen Präsidenten Isaias Afewerki, während andere Vertreter beider Länder lachend einander auf die Schulter schlugen und manche Freudentränen wegwischten.

Der Besuch kam einen Monat nach der Ankündigung Abiys, Äthiopien werde das Friedensabkommen von 2000 respektieren, das einen zweijährigen und sehr blutigen Grenzkrieg zwischen Äthiopien und Eritrea beendet hatte.

Der Grenzstreit hat die wirtschaftliche Entwicklung der beiden armen Länder ernsthaft behindert. Äthiopien hat seit der im Jahr 1993 vollzogenen Abspaltung Eritreas keinen eigenen Zugang zum Meer. Zunächst wurden noch die eritreischen Häfen Massawa und Assab genutzt, aber aufgrund des Konflikts mit Eritrea war Äthiopien dann gezwungen, eine neue Eisenbahnverbindung in das kleine Dschibuti am Roten Meer zu bauen, um dort die teuren Hafenanlagen zu nutzen.

Eine Rückkehr in die eritreischen Häfen werden die Logistik für Äthiopien erleichtern. Außerdem könnte Eritrea davon profitieren, weil es für die Nutzung der Häfen Steuern erheben kann.

Großes Äthiopien, kleines Eritrea

Äthiopien ist ein Riese mit über 100 Millionen Einwohnern verglichen mit dem viel kleineren Eritrea mit 5,5 Millionen Menschen. Mit der Öffnung zu Äthiopien bekommt Eritrea einen nahen und großen Handelspartner.

Eritreas Präsident Isaias Afewerki, ein ehemaliger Guerillaführer, der seit einem Vierteljahrhundert autokratisch regiert, hat sein Land in die Isolation geführt. Den Weg wählte er bewusst, nachdem die internationale Gemeinschaft es nicht schaffte, Äthiopien dazu zu zwingen, seine Truppen aus den im Krieg eroberten umstrittenen Grenzgebieten abzuziehen wie im Friedensabkommen von 2000 vereinbart.

Er benutzte den Grenzstreit auch, um sein Volk permanent zu mobilisieren: Die zeitlich unbegrenzte Wehrpflicht ist für viele junge Männer aus Eritrea ein Grund, nach Europa zu fliehen.

Das Konflikt zwischen Äthiopien und Eritrea wird nicht nur durch Scharmützel in der umstrittenen Grenzregion ausgefochten, sondern auch durch wechselseitige Unterstützung bewaffneter Rebellen sowie im kriselnden Nachbarn Somalia. Äthiopien unterstützte die Regierung in der Hauptstadt Mogadischu – Eritrea wurde bezichtigt, islamistische Extremisten zu bewaffnen. Die UNO verhängte deshalb 2009 Sanktionen gegen Eritrea.

Kritik in Tigray

Trotz des neuen Optimismus über die Annäherung der beiden Länder gibt es auch Kritik. Vor allem in der äthiopischen Tigray-Region an der Grenze zu Eritrea ist dagegen demonstriert worden. Tigray stellte bis zum Amtsantritt von Premierminister Abiy die größte Macht in Politik, Wirtschaft und Sicherheit in Äthiopien.

Viele der äthiopischen Soldaten, die während des Grenzkrieges gegen Eritrea als Kanonenfutter benutzt wurden, stammten aus Tigray. In der Region ist die Abneigung gegen die Eritreer größer als die wirtschaftlichen Möglichkeiten, die die Öffnung der Grenze für die Tigrayer bringen kann.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ich bin überrascht.



    "Afewerki, ein ehemaliger Guerillaführer,regiert autokratisch" Ja, genau! Wie Bashar al Assat in Syrien.



    Und die jungen Männer fliehen weil sie nicht zum Militär eingezogen werden wollen? Ja, genau! Wie in Syrien.



    Und was schreibt ihr über die Greueltaten beider? Viel, was Syrien anbetrifft, nichts, was Eritrea anbetrifft. Gibt's da etwa Unterschiede?