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Konflikt vertagt

■ Die Einigung in Mostar garantiert keinen Frieden

Ist der gestrige „Verhandlungserfolg“ der EU in Mostar ein echter Fortschritt? Oder bedeutet er nur die Vertagung des Konflikts? Die Vorabgarantie für einen kroatischen Bürgermeister vor den Wahlen durch den Stadtrat und die erneute Untersuchung der von EU und OSZE bereits festgestellten Rechtmäßigkeit der Wahlen vom 30. Juni durch ein bosnisches Gericht lassen letzteres befürchten.

Die jüngste Mostar-Krise war absehbar, seit die internationale Gemeinschaft Mitte Februar auf dem Dayton- Nachfolgegipfel von Rom mit unnötigen Konzessionen an Kroatiens Präsident Tudjman dem damaligen Mostar- Administrator Hans Koschnick in den Rücken fiel und so dessen vorzeitigen Abgang besiegelte. Der Selbstbetrug von EU und Clinton-Administration besteht weiterhin darin, auf Tudjman als Partner für einen Frieden in Bosnien zu setzen. Doch das ist der erklärte Muslimenhasser, Antisemit und Nationalist ebensowenig wie sein Amtskollege in Belgrad. Wie Milošević und den bosnisch-serbischen Kriegsherren in Pale gelingt es auch Tudjman im Verein mit den kroatischen Hardlinern in der Westherzegowina immer wieder, die internationale Staatengemeinschaft durch ein geschicktes Spiel mit verteilten Rollen zum Narren zu halten. Das wurde auch während der jüngsten Mostar-Krise wieder deutlich.

Es gibt allerdings zwei gravierende Unterschiede zwischen den beiden Präsidenten und ihrer Behandlung durch die internationale Staatengemeinschaft. Milošević sitzt im Verhältnis zwischen Belgrad und Pale immer noch am längeren Hebel; Tudjman aber ist politisch und auch finanziell abhängig von der westherzegowinischen Mafia, die in der Zagreber Regierung mit Verteidigungsminister Sušak prominent vertreten ist. Und während Serbien mit Sanktionen belegt wurde, durfte Tudjman letztes Jahr mit Unterstützung Washingtons und der EU 200.000 Serben aus Kroatien vertreiben. Das war die eine Voraussetzung des Dayton- Abkommens. Die zweite war die von Washington, Bonn, London, Paris und Moskau mitgeplante Vertreibung von 50.000 Muslimen aus Srebrenica und Žepa. In der Logik dieser mörderischen Realpolitik liegt ein neuer Krieg in Bosnien. Daran ändert auch die jüngste Mostar-Vereinbarung wenig. Andreas Zumach

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