Konflikt um die Westsahara: Algier wirft Rabat Lkw-Angriff vor
Per Drohne soll Marokko algerische Lastwagen bombardiert haben. Die Fahrzeuge waren in den von der Polisario kontrollierten Gebieten unterwegs.
„Mehrere Indizien weisen auf die marokkanischen Besatzungskräfte der Westsahara als Verantwortliche für diesen feigen Angriff hin“, heißt es in einem Kommuniqué, zu dem Marokko zunächst nicht Stellung bezog. Algerien hat bislang nicht bekanntgegeben, wo genau der Angriff stattfand.
Doch die auf bewaffnete Konflikte spezialisierte Webseite „Mena Defense“ zeigt Bilder der Lkw und gibt Bir Lahlou als Ort an. Dort verläuft die Fernpiste durch das Gebiet der ehemaligen spanischen Kolonie Westsahara. Diese ist seit 1975 zu 80 Prozent von Marokko besetzt. Der Rest wird von der Unabhängigkeitsbewegung Polisario kontrolliert, so auch das Gebiet um Bir Lahlou.
Die Polisario unterhält unweit in der südalgerischen Wüste Flüchtlingslager für die einst vor Marokkos Truppen geflohenen Sahrauis. Auch die Exilregierung der von der Polisario ausgerufenen Demokratischen Arabischen Republik Sahara (DARS) ist dort ansässig.
Mit „ausgeklügelten Waffen“ sind offenbar Drohnen gemeint. Marokko verfügt über Drohnen aus Israel und laut Medienberichten seit September auch aus der Türkei. Es wäre nicht das erste Mal, dass Marokko Drohnen in der Westsahara einsetzt, seit es wieder zu Kriegshandlungen entlang des 2.700 Kilometer langen Sandwalls kommt, mit dem Marokko die besetzten Gebiete von der Polisario-Zone trennt.
Vergangenen April hatte die marokkanische Armee ebenfalls mit einer Drohne den hohen Militär der Polisario, Addah Al-Bendir, getötet. Der 65-Jährige war Chef der sahrauischen Nationalgarde.
Pipeline wird zum Politikum
Die Polisario hatte vor knapp einem Jahr nach marokkanischen Provokationen den seit 1990 gültigen Waffenstillstand aufgekündigt. Seither greift sie wieder marokkanische Stellungen an.
Ob Al-Bendir in den von der Polisario gehaltenen „befreiten Gebieten“ war oder gar auf marokkanisch besetztem Boden, ist bis heute unklar. Es gibt nur wenig Informationen über den bewaffneten Konflikt; unabhängige Augenzeugen werden von keiner der beiden Konfliktparteien zugelassen.
Mittlerweile hat der Konflikt auch Auswirkungen auf die einstige Kolonialmacht Spanien. Das Land bezieht dank zweier Pipelines Erdgas aus Algerien. Eine verläuft durchs Mittelmeer von Algerien nach Spanien; die andere durchquert zuvor Marokko. Diese wurde von Algier in Folge des sich zuspitzenden Konflikt am 31. Oktober geschlossen, um nicht weiter Transitgebühren an Marokko zahlen zu müssen.
Zwar hat Algerien zugesichert, stattdessen per Schiff zu liefern, doch fürchtet Madrid, dass durch die angespannte Lage im Transportwesen weniger Gas als benötigt ankommen wird. Sollte der Winter wie im vergangenen Jahr besonders kalt werden, wäre dies ein Problem für die Gas- und Stromversorgung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Schraubenzieher-Attacke in Regionalzug
Rassistisch, lebensbedrohlich – aber kein Mordversuch