Konflikt um Bergkarabach: Nächster Anlauf
Armenien und Aserbaidschan vereinbaren einen Waffenstillstand. Den sollen russische Truppen sichern. In Jerewan kommt es zu Ausschreitungen.
Der mit Russland vereinbarte Pakt sieht die Entsendung von 1.960 russischen Friedenssoldaten und territoriale Zugeständnisse vor. Bereits in der Nacht zu Dienstag begannen russische Truppen mit ihrem Friedenseinsatz. Die ersten vier Flugzeuge vom Typ Iljuschin Il-76 seien in der Nacht zum Dienstag mit Soldaten und gepanzerten Fahrzeugen in die Krisenregion geflogen, teilte das russische Verteidigungsministerium in Moskau der Agentur Interfax zufolge mit.
Kurz vor seiner Bekanntgabe hatten aserbaidschanische Truppen in Bergkarabach den strategisch wichtigen Ort Schuschi (aserbaidschanisch: Şuşa) eingenommen und rückten in Richtung Stepanakert – der Regionalhauptstadt von Bergkarabach – vor, wie ein Sprecher der örtlichen Separatistenregierung bestätigte. Aserbaidschan teilte mit, dass es über Armenien weit entfernt von den Kämpfen einen russischen Militärhubschrauber abgeschossen habe. Dabei wurden zwei russische Militärangehörige getötet.
Der aserbaidschanische Präsident İlham Əliyev hatte schon am Sonntag die Einnahme Schuschis vermeldet. Sie ist die bedeutendste militärische Entwicklung, seit der Konflikt um Bergkarabach am 27. September aufgeflammt ist. Schuschi befindet sich zehn Kilometer von Stepanakert entfernt an der Hauptverbindungsstraße nach Armenien, sodass die Konfliktpartei, die Kontrolle über den Ort hat, einen strategischen Vorteil hat.
Tausende Tote
Bergkarabach gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, steht aber unter der Kontrolle ethnisch armenischer Truppen, die von Armenien unterstützt werden. Hunderte oder Tausende Menschen sind in den vergangenen Wochen bei den Kämpfen, die Ende September ausgebrochen waren, ums Leben gekommen. Mehrere Waffenstillstände sind seitdem ausgerufen, aber nicht eingehalten worden. Die am Dienstag verkündete Waffenruhe schien größere Erfolgsaussichten zu haben, da Aserbaidschan bedeutsam vorgerückt ist.
„Leider müssen wir zugeben, dass eine Serie von Misserfolgen uns weiter verfolgt und die Stadt Schuschi vollständig außerhalb unserer Kontrolle ist“, schrieb Wagram Pogossjan, ein Sprecher des Anführers von Bergkarabach, am Montag auf Facebook. „Der Feind ist am Stadtrand von Stepanakert.“ Auf der Hauptstraße des Gebiets bildeten sich am Sonntag lange Autoschlangen, Bewohner Bergkarabachs flohen vor den Kämpfen nach Armenien.
In der armenischen Hauptstadt Eriwan strömten kurz nach der Verkündung Tausende Menschen auf den zentralen Platz der Republik, um dagegen zu protestieren. Viele riefen: „Wir werden unser Land nicht aufgeben!“
Einige drangen in das Hauptregierungsgebäude ein, um nach Regierungschef Paschinjan zu suchen. Zuvor hatte dieser darauf beharrt, dass der Kampf um Schuschi anhalte. Zudem hatte er angedeutet, dass armenische Truppen entweder versuchten, den Ort zurückzuerobern oder ein Vorrücken in Richtung Stepanakert zu verhindern.
Kontrolle übergeben
Armenien verpflichtet sich laut Vereinbarung, die Kontrolle über einige Gebiete außerhalb der Grenzen von Bergkarabach zu übergeben, darunter auch den Ostteil der Provinz Ağdam. Für Aserbaidschan hat der Ort großes symbolisches Gewicht, weil die gleichnamige Hauptstadt stark geplündert worden ist und das einzige noch intakte Gebäude die Moschee der Stadt ist.
Armenien soll auch die Region Laçın übergeben, auf der die Hauptstraße von Bergkarabach nach Armenien verläuft. Die Straße soll laut Vereinbarung offen und von russischen Friedenssoldaten geschützt werden.
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