Konflikt in Libyen: Kriegsspiele im Mittelmeer
Der Konflikt in Libyen spitzt sich im östlichen Mittelmeer zu. Die Überwachung des UN-Waffenembargos gegen Libyens Kriegsparteien ist kompliziert.
Laut CNN-Greece forderte der italienische Irini-Kommandeur seine griechischen Nato-Kollegen auf, den Frachter per Hubschrauber zu inspizieren.
Da funkte plötzlich der Kapitän eines von drei Begleitschiffen der türkischen Marine, die hinter der „Cirkin“ fuhren, der Frachter stehe unter dem Schutz der „türkischen Demokratie“. Die Griechen brachen die Untersuchung ab und folgten dem türkischen Verband von den Dardanellen bis in internationale Gewässer in Richtung Libyen.
Eine Irini-Sprecherin sagte gegenüber dpa, sie könne den Vorfall weder bestätigen noch dementieren. Informationen zum Verlauf der Operation würden als geheimhaltungsbedürftig eingestuft.
Türkei und Russland als Paten
Jede Woche pendeln dutzende Containerschiffe zwischen der Türkei und dem Regierungsgebiet Libyens. Mehrere türkische Fregatten liegen in libyschen Hoheitsgewässern und haben mehrmals auf Seiten der Regierung in die Kämpfe eingegriffen. Auch mit Drohnen, Söldnern und Ausrüstung hat die Türkei Libyens Regierung gestärkt.
Diesen Bruch des seit 2011 geltenden Waffenembargos rechtfertigen der türkische Präsident Recep Tayyib Erdoğan und Libyens Premierminister Fayez al-Sarradsch als militärischen Beistand für eine legitime Regierung lauf einem bilateralen Abkommen von November 2019. Russland hat parallel dazu die Haftar-Truppen aufgerüstet und unterstützt.
Dank der türkischen Hilfe konnte die Regierung zuletzt die Haftar-Truppen von der Hauptstadt Tripolis zurückdrängen, bis zur 300 Kilometer östlich gelegenen Stadt Sirte. Am Wochenende glaubten die Kommandeure von Sarradsch auch Muammar al-Gaddafis ehemalige Heimatstadt schnell einnehmen zu können.
Doch plötzlich waren die türkischen Bayraktar-Drohnen vom Himmel verschwunden, bei Angriffen russischer Mig-29-Kampfflugzeuge starben am Montag über 80 Regierungskämpfer, so viele wie noch nie an einem Tag in dem 14-monatigen Krieg. Sirte wird von Söldnern der privaten russischen Sicherheitsfirma Wagner und der Haftar-treuen Brigade 604 verteidigt, nach Aussagen von Bürgern in Sirte trotz Rückzugsbefehl aus der Befehlszentrale in Ostlibyen.
Die Wagner-Söldner verteidigen nach Überzeugung vieler Beobachter russische Interessen in Libyen, und bei Sirte scheint Moskau den türkisch-westlibyschen Angriff stoppen zu wollen.
Deutscher Botschafter sondiert
In Bengasi traf am Mittwoch der in Tunesien residierende deutsche Botschafter für Libyen ein. Mit General Haftar erörterte Oliver Owcza die Wiederaufnahme der 5+5-Gespräche, ein auf der Berliner Libyen-Konferenz im Januar beschlossenes Gesprächsformat für Offiziere beider libyschen Kriegsparteien. Auf dem Tisch liegt auch die „Kairo-Initiative“ des äygptischen Präsidenten Abdelfattah al-Sisi, der am Samstag im Beisein Haftars die Kämpfe in Libyen einseitig ab Montag für beendet erklärt hatte.
Doch darauf will sich die Tripolis-Regierung ebenso wenig einlassen wie auf die Idee eines innerlibyschen Dialogs, die Parlamentschef Aguila Saleh in Abgrenzung zu Haftar ins Spiel gebracht hat. Owcza diskutierte vor seinem Rückflug nach Tunis auch mit Saleh in dessen Hauptquartier, einer leeren Kaserne in der Kleinstadt Gubba unweit der ägyptischen Grenze.
Das Parlament, das in Ostlibyen angesiedelt ist, hat nach Aussage von Parlamentariern gegenüber der taz nicht genügend Geld, um die wegen der Coronakrise in alle Landesteile verstreuten 200 Abgeordneten zusammenzutrommeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku