Konflikt im Jemen: Krieg den Krankenhäusern

Ungeachtet der rudimentären Gesundheitsversorgung greifen die Konfliktparteien selbst medizinische Einrichtungen an.

Trümmer vor Bergen

Zerstört: das Haydan-Krankenhaus in Saada nach dem Luftangriff vom 26. Oktober. Foto: Yann Garin, MSF

KAIRO taz | Im Jemen möchte man weder Arzt noch Patient sein. Denn Angriffe auf Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen sind im Krieg in dem Land an der Südspitze der Arabischen Halbinsel keine Einzelfälle.

Ungefähr 100 medizinische Institutionen sind seit Ausbruch der Kämpfe im März 2015 nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschädigt oder zerstört worden. Mehr als 600 Einrichtungen mussten geschlossen werden. Über 15 Millionen Menschen leben derzeit ohne Gesundheitsversorgung. Die WHO warnt bereits seit Monaten, das Gesundheitssystem stehe vor dem Zusammenbruch.

In dem Krieg, in dem sich die saudische Luftwaffe und Milizen der Regierung mit Huthi-Rebellen sowie Teilen des vom ehemaligen Diktator Abdallah Salah kontrollierten Sicherheitsapparates seit fast zehn Monaten bekämpfen, „wird Neutralität der medizinischen Einrichtungen nicht respektiert“, wie Kedir Omar, der Chef des Internationalen Roten Kreuzes im Jemen, konstatiert. „Es wird mit Absicht auf medizinische Einrichtungen gezielt, und in manchen belagerten Orten wird auch der medizinische Nachschub blockiert“, beklagt er.

„Die Bombardierung von Krankenhäusern sendet eine Botschaft an das medizinische Personal, die Ärzten und die Patienten, dass sie in großer Gefahr sind“, erklärt Joe Stork, stellvertretender Direktor der Nahostabteilung der internationalen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW).

„Ärzte ohne Grenzen“ angegriffen

Gleich drei Mal wurden in den vergangenen Monaten Einrichtungen zerstört, wobei auch die organisation „Ärzte ohne Grenzen“ zur Zielscheibe wurde. Das letzte Mal traf es sie am 11. Januar. Mehrere Gebäude des Schiara-Krankenhauses im Distrikt Razeh in der nordjemenitischen Stadt Saada wurden zerstört. Mindestens vier Menschen starben, zehn wurden verletzt, darunter auch drei Mitarbeiter der Hilfsorganisation.

Nach Angaben von Mitarbeitern traf ein Geschoss das Krankenhaus, in dem „Ärzte ohne Grenzen“ seit November 2015 arbeitet. Von wem es abgefeuert wurde, kann die Organisation nicht sagen. Zur Zeit des Angriffs wurden aber Flugzeuge über der Einrichtung gesichtet, die vermutlich zu der saudisch geführten Militärkoalition gehörten, die seit Kriegsbeginn Luftangriffe im Jemen fliegt.

Die Rate von unterernährten Kindern in den Kliniken steigt an

Bereits am 26. Oktober wurde das Krankenhaus Haydan, ebenfalls in Saada, bei einem Luftangriff der Koalition zerstört. Am 3. Dezember wurde ein Gesundheitszentrum in Taiz im Süden des Landes von der Koalition getroffen. Dabei wurden neun Menschen verletzt, heißt es in einer Erklärung von „Ärzte ohne Grenzen“.

Der Standort der Kliniken ist bekannt

Dass die Einrichtungen den Kriegsparteien nicht bekannt sind, ist unwahrscheinlich. „Die Orte, in denen wir arbeiten, egal ob Krankenhäuser oder kleinere medizinische Einrichtungen, sind bekannt. Wir informieren alle Kriegsparteien mit GPS-Daten und weisen darauf hin, dass diese Orte respektiert werden sollten, wir dort eine Präsenz haben und medizinische Dienste leisten“, erklärt die Ärztin Reem Djera in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa telefonisch. Sie koordiniert die Projekte von „Ärzte ohne Grenzen“ im Norden des Landes.

Auch wenn beim letzten Angriff auf eine Einrichtung von „Ärzte ohne Grenzen“ nicht endgültig geklärt ist, wer dahinter steckt, machte die Organisationen in den ersten beiden Fällen, bei denen ihre Einrichtungen bombardiert wurden, die saudische Koalition verantwortlich. „Als unser Gesundheitszentrum in Taiz zum Ziel wurde, haben wir uns direkt an die saudische Militärkoalition gewandt, und gefordert, das Bombardement zu stoppen. Aber sie haben nicht geantwortet“, blickt Djera zurück.

Nach Auffassung von HRW handelt es sich bei dem Luftangriff auf das Haydan-Krankenhaus, das in zwei Angriffswellen fast völlig zerstört wurde, „um eine offensichtliche Verletzung des internationalen Rechts“. Dazu meint Djera vorsichtig: „Was im Oktober angegriffen wurde, sollte zunächst zugegeben werden, der genaue Grund für den Angriff sollte identifiziert werden, denn das scheint mir nach internationalem Recht einfach nicht akzeptabel. Aber es nicht an uns, das zu bestimmen.“

Unterernährte Kinder

Selbst ohne die ständigen Angriffe ist die Arbeit der Ärzte nicht einfach. Durch die Blockade seien manche Medikamente Mangelware geworden, sagt Djera. Manchmal sei es auch schwer, Diesel aufzutreiben, um die Stromgeneratoren der Krankenhäuser am Laufen zu halten. Ein Problem sei auch, dass viele Familien ihr Einkommen verloren hätten. „Wir haben in unseren Projekten definitiv ein Ansteigen der Rate unterernährter Kinder festgestellt“, erläutert die Ärztin.

Im Dezember unternahmen die Kriegsparteien den Versuch, einen Waffenstillstand in die Wege zu leiten, und trafen sich zu Friedensgesprächen in der Schweiz. Doch das Treffen blieb ergebnislos, die Angriffe gingen weiter.

In der Nacht von Samstag auf Sonntag, als in Wien der Atomstreit mit dem Iran beigelegt und die internationalen Sanktionen gegen die Islamische Republik aufgehoben wurden, flog die saudische Koalition ein Dutzend Luftangriffe auf Sanaa und seine Umgebung. Ein jemenitischer Tweet kommentierte trocken: „Während die Iraner feiern, lassen die Saudis in ihrem Ärger jetzt im Jemen Dampf ab“.

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