Kompromiss im Streit um Abstand: Social Distancing bei Windrädern
Union und SPD haben ihren Streit über Mindestabstand von Windrädern zu Wohnhäusern beigelegt: Die Länder dürfen nun selbst entscheiden.
Nach monatelangen Verhandlungen haben Union und SPD ihren Streit über den weiteren Ausbau von Wind- und Solaranlagen beigelegt. Umstritten war vor allem ein Mindestabstand zwischen Windrädern und Wohnhäusern, auf den die Union gedrängt hatte. Hier gibt es nun einen Kompromiss: Man werde „den Ländern die Möglichkeit einräumen, einen Mindestabstand von bis zu 1.000 Metern“ festzulegen, heißt es in einem Papier, das unter anderem von den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Carsten Linnemann (CDU) und Matthias Miersch (SPD) ausgehandelt wurde. Damit versprechen sie sich „einen wichtigen Impuls für die Arbeit der Großen Koalition und die Umsetzung der energie- und wirtschaftspolitischen Ziele“.
Die Union hat damit zumindest auf dem Papier einen Mindestabstand eingeführt. Die SPD hat aber durchgesetzt, dass die Länder diesen aktiv beschließen müssen – was nicht passieren wird, sobald ein Koalitionspartner auf Länderebene dagegen ist.
Eine zuvor bereits diskutierte Öffnungsklausel hätte den Ländern dagegen nur die Möglichkeit gegeben, aktiv von einem grundsätzlich geltenden Mindestabstand abzuweichen; in diesem Fall hätte er bei Uneinigkeit innerhalb einer Landesregierung automatisch gegolten. Die bestehende Regelung in Bayern, die einen Mindestabstand von mehr als 1.000 Metern vorsieht, darf bestehen bleiben.
Geklärt wurde auch die zweiten wichtige Streitfrage, nämlich worauf sich der Mindestabstand bezieht. Ein früherer Gesetzentwurf hatte vorgesehen, dass er nicht nur für Ortschaften gilt, sondern auch für Minisiedlungen ab sechs Häusern. Eine solche feste Definition gibt es jetzt nicht mehr; stattdessen dürfen auch dies die Länder selbst entscheiden.
„Unverzüglich“ noch ohne Datum
Verbunden mit der Einigung über den Windabstand ist eine Entscheidung zum sogenannten Solardeckel. Diese Regelung, mit der die Förderung neuer Solaranlagen bei einer Gesamtleistung von 52 Gigawatt beendet worden wäre, soll „unverzüglich“ aufgehoben werden, heißt es im Papier. Wann genau das entsprechende Gesetz geändert wird, blieb am Montag noch offen.
Weil dieser Grenzwert im Sommer erreicht wird und die Finanzierung neuer Solaranlagen deshalb teilweise schon problematisch war, hatten Branchenverbände die Verzögerung in dieser Frage scharf kritisiert. Noch in der vergangnen Woche war der Antrag, den Deckel zu streichen, im Bundestag abgelehnt worden. Nun sagte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU): „Wir halten Wort bei der Abschaffung des Photovoltaik-Deckels – er wird aufgehoben, bevor er ausgeschöpft ist.“ Auch Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) begrüßte die Einigung.
Windkraft-Verband zufrieden, Umweltvebände nicht
Der Bundesverband Windenergie zeigte sich zufrieden mit dem Kompromiss. „Die heutige Verständigung beendet den langen politischen Attentismus und ist ein notwendiger Schritt für den industrie-, beschäftigungs- und klimapolitisch erforderlichen Ausbau Windenergie an Land“, sagte Verbandspräsident Hermann Albers. Damit könne die Branche „einen wichtigen Beitrag für die konjunkturelle Widerbelebung nach der Covid-19-Krise leisten“.
Kritik kam dagegen von Umweltverbänden. Der BUND sprach von einem „zu kleinen Schritt in die richtige Richtung“. Die Deutsche Umwelthilfe sieht die Einigung als „faulen Kompromiss“ und forderte die Länder auf, keine neuen Hürden zu schaffen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste