Kompetenzen in der Pandemiepolitik: Bundes-Notbremse geplant
Der Bund will die Corona-Politik stärker mitbestimmen. Dazu soll schnell ein Gesetz her. Das Treffen mit den Ländern ist abgesagt worden.
Künftig soll bundesweit verbindlich vorgeschrieben werden, welche Einschränkungen gelten, sobald die 7-Tage-Inzidenz in einem Landkreis über dem Wert 100 liegt. Das kündigte Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer an diesem Freitag in der Regierungspressekonferenz an. Die Regelung soll auf Beschlüsse der Bund-Länder-Konferenz zurückgreifen.
Tatsächlich haben die Ministerpräsident*innen mit der Kanzlerin auf ihrem Treffen am 3. März bereits eine sogenannte Notbremse beschlossen, die von Ländern und Landkreisen aber nur inkonsequent umgesetzt wurde. Anfang März ging es einerseits um Lockerungen bei Zusammenkünften und der Öffnung des Einzelhandels.
Doch mehrfach findet sich im damaligen Beschluss dieser Notbremsenpassus: „Steigt die 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner an drei aufeinanderfolgenden Tagen in dem Land oder der Region auf über 100, treten ab dem zweiten darauffolgenden Werktag die Regeln, die bis zum 7. März gegolten haben, wieder in Kraft.“
Bund schließt Schulen?
Vor dem 7. März war zum Beispiel der Einzelhandel geschlossen. Und private Zusammenkünfte waren nur im eigenen Haushalt und mit einer weiteren Person möglich. Voraussichtlich wird die neue Bundesnotbremse aber auch weitere Maßnahmen umfassen. Die Tageszeitung Die Welt berichtet zum Beispiel über geplante nächtliche Ausgangssperren. Auch Schulschließungen kommen in Betracht.
Die Bundesregierung will den konkreten Gesetzentwurf bis Dienstag in Gesprächen mit den Bundesländern und den Bundestagsfraktionen erarbeiten. Am Dienstag soll der Entwurf im Kabinett beschlossen werden. Der Bundestag könnte dann das Gesetz schon nächste oder übernächste Woche beschließen.
Eine Beschlussfassung schon in der kommenden Woche wäre möglich, wenn eine Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten auf Fristen verzichten würde. Dann müssten aber auch Oppositionsfraktionen das Eilverfahren mittragen – was ihnen wiederum Einflussmöglichkeiten gäbe. Außerdem muss auch der Bundesrat befasst werden. Nach bisheriger Praxis galten die Änderungsgesetze zum Infektionsschutzgesetz stets als zustimmungsbedürftig.
Eine solche Lösung wäre in mehrfacher Hinsicht ein Kompromiss. Bei Inzidenzwerten bis 100 behalten die Länder ihre Handlungsfreiheit. Erst wenn das Infektionsgeschehen massiv aus dem Ruder läuft, gelten die vom Bund vorgegebenen Einschränkungen. Weitere Beschlüsse von Ländern oder Landkreisen wären dann nicht mehr erforderlich.
Lockdown vorerst vom Tisch
Ein allgemeiner Lockdown, wie er zum Beispiel von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) vorgeschlagen wurde, ist damit vorerst vom Tisch. Die Lockdown-Maßnahmen, die bei Überschreitung der 100er-Inzidenz greifen sollen, sind voraussichtlich auf die Ebene der jeweiligen Landkreise begrenzt.
Eine Verschiebung der Ministerpräsidentenkonferenz hatte sich zuvor bereits angedeutet. Sie wurde auch durch einen Vorstoß der Spitzen der Koalitionsfraktionen im Bundestag nötig.
Die Fraktionschefs Ralph Brinkhaus (CDU) und Rolf Mützenich (SPD) sowie CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte in einem Brief an die Kanzlerin und den MPK-Vorsitzenden, Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD), eine Bundestagsdebatte noch vor der nächsten Bund-Länder-Runde verlangt. Sie hatten dazu eine Regierungserklärung oder eine Debatte im Parlament vorgeschlagen. Der Bundestag kommt wieder planmäßig vom kommenden Mittwoch bis Freitag zusammen.
Nach Darstellung von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble lässt sich das Infektionsschutzgesetz in kürzester Zeit ändern. „Es kann schnell gehen, wenn die Beteiligten alle wollen“, sagte der CDU-Politiker am Donnerstagabend im ZDF-“Heute Journal“. Zur Not könne dies sogar in einer einzigen Sitzungswoche passieren. (mit dpa)
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