Komödie über Trolle von Yael Ronen: Die Zwietracht ist die Chefin

Die Komödie „Operation Mindfuck“ am Gorki Theater Berlin spielt in einer Trollfabrik. Noch schöner wäre sie, wenn es die echten Trolle nicht gäbe.

Auf einer Bühne mit Spiegelelementen stehen zwei Frauen

Die Chefin Erin und Alice, das neue Talent in „Operation Mindfuck“ Foto: Marcus Lieberenz/bildbuehne

Wer hat hier eigentlich wen erfunden? Wer ist der Spieler und wer die Marionette? Das wird zunehmend unklar in dem grotesken Theaterstück „Operation Mindfuck“, das die Regisseurin Yael Ronen zusammen mit dem Schauspieler Dimitrij Schaad (der aber nicht mitspielt) für das Maxim Gorki Theater in Berlin geschrieben hat. Yael Ronen ist so etwas wie die Geheimwaffe des Gorki Theaters. Mit unheimlichem Witz, der auf die Verwerfungen und Erregungskurven in einer Welt aus Meinungsblasen zielt, pfeffert sie ein Stück nach dem nächsten raus. Ähnlich wie in ihrem Stück „Slippery Slope“ sind es auch hier wieder erfolgshungrige Frauen, die im Universum von Fake News und Gerüchten kräftig mitrühren.

Diesmal spielt Orit Nahmias, die jede ihrer Rollen mit großer Schlagfertigkeit ausstattet, eine auf die Erde herabgestiegene Göttin. In der antiken Mythologie für Zwietracht und Chaos zuständig, wird sie in der Gegenwart zu Erin, Chefin einer Trollfabrik. Zwei junge Freundinnen, Alice (Aysima Ergün) und Maze (Maryam Abu Khaled) wetteifern dort um die Gunst der Chefin mit Geschichten, die über Trollnetzwerke schnelle Verbreitung finden.

Wo es juckt und schmerzt

Dabei möglichst wenig von einer Gegenwart zu erzählen, die beschissen ist und alle so deprimiert, dass sie nichts mehr davon wissen wollen, ist eine Regel. Möglichst viele Faktoren von Prominenz unterzubringen eine andere.

Das macht aus dem Stück allerdings noch keine scharfsichtige Satire auf Medien und Öffentlichkeit. Es tanzt eher über die juckenden und schmerzenden Stellen, um mit großer Lust am Absurden Verschwörungserzählungen in wenigen Sätzen hinzupinseln, in denen anders als in der Realität Schuldige leicht auszumachen sind. Die Bühne, die Magda Willi dafür gebaut hat, gleicht einem Spiegelkabinett. Wer sich in dieses Labyrinth begeben hat, wird keinen Ausweg mehr finden.

Die Trollfabrik hat einen Konkurrenten, einen ehemaligen Mitarbeiter, Maximilian de Kohler, den Taner Şahintürk sehr geschäftsmäßig und smart anlegt. Der möchte seinen eigenen Kanzlerkandidaten aufbauen (Till Wonka), und damit erreicht der Blödsinn eine dann doch sehr losgelöste Stufe: Bekannt geworden als Kinderkind, das Gesicht auf der Kinderschokolade, begeistert er seine Follower durch pointenfreie Sätze, mit Verve in die Welt geschleudert. Max wählt ihn, der sich nicht für Politik interessiert, weil (O-Ton Max): „Leute hassen Politiker. Jeder hasst Politiker. Niemand will Politiker, schon gar nicht in der Politik.“ Und er sucht nun jemand „unbedarften, unvorhersehbaren, unterhaltsamen“.

Ununterbrochen wird geredet

„Operation Mindfuck“ ist ein textlastiges Stück. Fast ununterbrochen redet jemand, erzählt atemlos vergangene oder zukünftige Geschichte, deren Rollen die Darsteller auf der Bühne kurz anmimen, aber selbst ihre wörtliche Rede wird vom Erzählenden übernommen. Alles ist immer schon Interpretation. Die kognitiven Fähigkeiten der Zuschauenden und Zuhörenden werden hoffnungslos überflutet, Sinn und Worte stürzen vorwärts und haben in diesen Satzmassen keine Chance, sich jemals einzuholen und kongruent zu werden.

Das ist schon lange Yael Ronens Stil, von der Schauspielerin Orit Nahmias zur Virtuosität getrieben. Der Wahnsinn der Gegenwart vibriert in den Sätzen, etwas leuchtet auf, das sich an die kritische Vernunft richtet, aber bevor man es festnageln könnte, rutscht schon der nächste Kalauer darüber. Wie in den Reden von KK, Kanzlerkandidat Kinderkind: „Wir alle teilen uns einen Planeten. Richtig? Richtig. Aber: Was ist mit den Tieren? Welche Kompromisse gehen sie ein? Wir kämpfen für die Tiere. Sie kämpfen nicht für uns. Manche versuchen sogar, uns zu fressen.“

Verpackt ist das sehr poppig. Die Trollfabrik und ihre Arbeit an Verschwörungserzählungen haben einen Vorläufer in den 1960er Jahren, der Zeit von LSD, CIA und Kennedy-Morden. Alice referiert das am Anfang, Wonka und Şahintürk mimen die Protagonisten. Das ist Theater im Comicformat.

Nach neunzig Minuten endet das Stück. Vielleicht hat man jetzt einfach genug gelacht. Die Geschichte vom Kanzlerkandidaten Kinderkind ist eigentlich noch nicht fertig, aber ganz ehrlich, man muss ihm wohl auch nicht tiefer nach Absurdistan folgen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.