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Kommunalwahlen in BrandenburgPotsdam wird links und grün

In Potsdam regieren jetzt erstmals die Linken mit: Rot-Grün-Rot hat ehrgeizige Vorhaben und sieht sich als Modell für Brandenburg.

Rot-grün-roter Höhenflug: Potsdam aus der Vogelperspektive Foto: Paul Zinken/dpa

Zweieinhalb Monate nach der Kommunalwahl im Mai steht die Brandenburger Landeshauptstadt vor einem politischen Paradigmenwechsel. Erstmals wird eine sozial-ökologische Mehrheit im Stadtparlament die Richtung vorgeben. Die Zeichen stehen nämlich auf Rot-Grün-Rot. Zuvor hatten sich SPD, Grüne und Linke auf eine entsprechende Kooperationsvereinbarung geeinigt. Darin setzen sie Akzente bei der Verkehrswende und beim Mieterschutz.

Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) hängt als direkt gewähltes Stadtoberhaupt zwar nicht von der Mehrheit ab. Ohne sie ist er aber auch kaum handlungsfähig. Die rot-grün-rote Zusammenarbeit dürfte ihm durchaus passen. Schon in den Monaten vor der Wahl war das Klima zwischen SPD und Linken auffallend entspannt. Nun wolle man Potsdam sozial gerechter, ökologischer und nachhaltiger gestalten, sagte Schubert. Zusammen haben die Partner eine solide Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung.

Seit der Wiedervereinigung hatten sich in Potsdam meist bürgerliche Parteien und Wählergruppen mit der SPD zusammengetan, um die Linken von der Macht fernzuhalten. Argument dafür war neben inhaltlichen Differenzen auch die Vergangenheit einiger Linker in der DDR. Mittlerweile hat die Partei aber einen Generationswechsel eingeleitet. Außerdem sind die Linken in Potsdam weniger dominant, seit sie bei der Wahl im Mai von der stärksten Kraft zur Nummer drei geschrumpft sind.

Die letzte Rathaus-Kooperation aus SPD, CDU und Grünen war 2016 geplatzt, nachdem der Grünen-Kandidat für den wichtigen Posten des Baudezernenten im Stadtparlament nicht durchgekommen war. Seither regierten die SPD-Oberbürgermeister Jann Jakobs und Mike Schubert mit wechselnden Mehrheiten.

Die neue Rathaus-Kooperation war am Mittwoch in der Stadtverordnetenversammlung erstmals in Aktion. Als erste Amtshandlung stand der Beschluss zum Klimanotstand an. Künftig sollen alle Beschlüsse auf ihre Folgen für den Ausstoß von Treibhausgasen überprüft werden. Auch darüber hinaus will das Bündnis mehr Geld für den Klimaschutz ausgeben.

100 Prozent ökologisch

Die kommunalen Stadtwerke sollen langfristig zu 100 Prozent erneuerbare Energie liefern. Das Gebiet um die Flaniermeile Brandenburger Straße soll Schritt für Schritt zu einer autofreien Zone werden. Außerdem soll das städtische Klinikum seine Mitarbeiter wieder nach Tarif bezahlen.

Die Grünen setzten ein paar ihrer Kernanliegen durch. So soll mehr Geld in den Ausbau von Fahrradwegen fließen. Die Kooperationsvereinbarung sieht außerdem mehr sozialen Wohnungsbau vor. Städtische Bauflächen sollen nicht mehr zum Höchstgebot verkauft werden, sondern nur noch über eine Konzeptvergabe oder Erbbaupacht vergeben werden. Das soll sich dämpfend auf den Anstieg der Mieten in der Stadt auswirken.

Die Vereinbarung soll noch im August von den Mitgliedern der Parteien abgesegnet werden. Das gilt allerdings als Formalität. Das neue Dreierbündnis ist mitten im Honeymoon. Der erste Stresstest dürfte dann anschließend bei den Haushaltsberatungen anstehen. Dann wird sich zeigen, welche der Versprechungen sich die Stadt tatsächlich leisten kann.

Bei vielen der vereinbarten Vorhaben ist die Mehrheit sogar noch größer als die der drei Kooperationspartner. So hatte sich auch die linksalternative Wählergruppe Die Andere für die Ausrufung des Klimanotstands, Konzeptvergaben und die bessere Bezahlung der Mitarbeiter des Klinikums eingesetzt.

Oberbürgermeister Mike Schubert sieht Rot-Grün-Rot auch als Modell für das Land Brandenburg. Nach den jüngsten Umfragen ist es allerdings fraglich, ob es bei der Wahl am 1. September für eine solche Mehrheit reicht.

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1 Kommentar

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  • Als ein im Umland zwischen Potsdam und Berlin lebender Mensch wäre das für mich der letztendlich entscheidende Grund, meine Einkäufe (nicht die Lebensmittel) zukünftig in Berlin zu tätigen.



    Dort oder in den großen Einkaufszentren an der Autobahn kann ich parken und bin nicht auf den schwach ausgebauten und überteuerten ÖPNV angewiesen.



    Für die Gastronomen in Potsdams Zentrum und gerade rund um die Brandenburger Straße tut es mir ebenfalls leid. Kann ich abends nicht parken, gehe ich woanders essen oder mich mit Freunden treffen. Berlin bietet auch da jede Menge Alternativen.