Kommunalwahl in Niedersachsen: Rakı im Schützenverein

Der türkisch-deutsche CDU-Kandidat Necdet Savural wirbt für interkulturelle Akzeptanz in der Kommunalwahl.

Ein Mann mit weißen Haaren und gelbem CDU Shirt spricht gestikulierend mit einer Frau: Necdet Savural

Findet, dass die CDU für eine bunte Gesellschaft steht: Necdet Savural spricht mit einer Wählerin Foto: Pascal Luh

BRACKEL taz | Ein CDU-Stand im niedersächsischen Brackel, direkt neben der Tankstelle – dem Hauptumschlagspunkt im Ort. Davor steht Necdet Savural mit weißen Haaren und einem Lächeln auf den Lippen. Er ist im Gespräch mit einer Brackeler Bürgerin, die nach dem Tanken auf einen kurzen Schnack am Stand vorbeigekommen ist.

Savural spricht die Bürger*innen, die an der freien Tankstelle vorfahren, mit Vornamen an. Der CDU-Ortsverbandsvorsitzende lebt seit über 30 Jahren in der 1.800-Seelen-Gemeinde südlich von Harburg. Savural kandidiert abermals für den Kreistag und den Samtgemeinderat. Dabei blickt er auf 15 Jahre Kommunalpolitik zurück. In dieser Zeit ging es dem türkischstämmigen CDU-Kandidaten immer um Kommunikation und die Auseinandersetzung mit anderen Meinungen. Als Muslim fühlt er sich im Ortsverband aufgehoben und respektiert.

Die Frau verabschiedet sich und bekommt von Savural noch ein Paket mit Wahlflyern, einem Holzkugelschreiber und einer Tüte Gummibärchen in die Hand gedrückt. Dann wendet er sich an den jungen Kandidaten Tobias Rathke mit dem er gemeinsam am Stand steht: „So, mein Lieber“, sagt er aufgeräumt und beginnt mit ihm weitere Präsentpäckchen zusammenzustellen.

Eigentlich kommt Savural nicht vom Land. Er ist in der türkischen Großstadt Adana aufgewachsen, nur 40 Kilometer vom Mittelmeer entfernt. Die Stadt nahe der syrischen Grenze gilt als ein Zentrum der türkischen Textilindustrie. Und so machte auch Savural nach dem Fachabitur eine Ausbildung zum Textilspinner.

Er wollte gern als Gastarbeiter in Deutschland arbeiten, doch seine Eltern hätten erst nichts von den Plänen hören wollen. Er habe viel Überzeugungsarbeit leisten müssen: „Ich hatte Papa versprochen, nach fünf Jahren mache ich ein Ingenieur-Patent und dann kaufe ich einen Mercedes und komm zurück“. „Ja ja, klar“, schüttelt Savural den Kopf und schmunzelt. Auch wenn er sich damals noch keine konkreten Vorstellungen vom Leben in Deutschland gemacht habe, hätte er schon gewusst, dass das nur Humbug war. Er habe seinen Eltern erzählt, er wolle in Deutschland in einer Abendschule studieren.

Necdet Savural, CDU-Kandidat aus Brackel

„Auch als Muslim fühle ich mich in der CDU gut aufgehoben“

Mit nicht ganz 18 Jahren kam Savural dann 1970 in Deutschland an. Sein Weg führte ihn erst nach Ramstein, wo er nur ein Jahr später seine Frau kennenlernte. Noch ein Jahr darauf heirateten die beiden. „Das ging alles schnell damals“, nickt Savural. Spätestens dann hätte sein Vater auch gemerkt, dass das mit dem Studium nicht so ganz stimmte. „Ich habe ihm dann reinen Wein eingeschenkt“, sagt Savural, er sollte ja immerhin auch die Chance haben, seine Schwiegertochter kennenzulernen.

Seine Frau Ursula ist katholisch. „Ich bin auch nicht gleich mit Kusshand aufgenommen worden“, sagt Savural. Seine Frau ruft während eines Telefonats aus dem Hintergrund: „Den habe ich jetzt 50 Jahre an der Backe.“ Mittlerweile ist Savural Unternehmer und hat seine eigene Firma im kleinen Industriepark, der auswärts des Dorfes liegt.

Erst als er 1990 nach Brackel kam, wäre sein politisches Interesse so richtig erwacht, sagt Savural. Hier wäre er auch in den Schützenverein eingetreten und hätte den Schüt­z*in­nen Raki, türkischen Anisschnaps, gezeigt. Der Wunsch, der ihn eigentlich zur Kommunalpolitik gebracht habe, war, im Ort mitgestalten zu können: „Was ich an Kommunalpolitik liebe, ist, dass man die Erfolge, die man mitgetragen hat, sofort sehen kann.“

Ob er in konservativen Kreisen negative Erfahrungen gemacht habe? „Nein, wieso, ich bin doch auch konservativ“, winkt Savural ab. „Auch als Muslim fühle ich mich in der CDU gut aufgehoben“, sagt er. Das beruhe auf gegenseitigem Respekt. Er würde nicht versuchen, andere zu bekehren und umgekehrt würde das auch nicht passieren. Es gebe ohnehin nur einen Schöpfer, sagt Savural und meint damit alle Religionen: „Entweder man glaubt oder man glaubt nicht, das ist alles.“ Und wer glaubt, solle sich hüten, an Gottes Werk zu pfuschen. „Es ist Gottes Wille, diesen bunten Blumenstrauß auf der Erde zu pflanzen, wieso soll man das ändern?“

Ob denn die CDU für Savural für eine bunte Gesellschaft stehe? Savural findet schon. Seiner Meinung nach seien das Ränder der CDU, die etwa gegen die gleichgeschlechtliche Ehe gestimmt hätten. Er würde Aufgeschlossenheit bei diesem Thema nicht von streng katholischen Menschen erwarten, aber „ich kann das ja dulden, das heißt ja nicht, dass ich das akzeptiere“.

Rassistische Gewaltdrohungen

Natürlich habe er in der langen Zeit auch unschöne Situationen erlebt. Er habe immer wieder Drohbriefe bekommen: sowohl Gewaltandrohungen mit rassistischen Motiven als auch Schmähungen wegen seiner Integriertheit.

Das sei genauso Dummheit: „Wir müssen uns natürlich integrieren und uns anpassen, aber das heißt ja nicht, dass ich dann meine Wurzeln kappe“, sagt Savural dazu. „Die rassistischen Erfahrungen werden immer wieder kommen, aber dann muss man stark genug sein, sich auch mit diesen Leuten auseinanderzusetzen.“ Die meisten seien nur Mit­läu­fe­r*in­nen ohne wirkliches Fundament. Wenn man den Menschen in einem tiefgründigen Gespräch begegne, wäre das etwas ganz anderes.

Savural erinnert sich an ein Schlüsselerlebnis, bei dem ein Freund bei einem Abendessen bei ihnen zu Hause angefangen habe, über Aus­län­de­r*in­nen zu schimpfen. Seine Frau habe ihn rausschmeißen wollen, doch Savural habe den Gast aussprechen lassen: „In meinem Haus darf der Gast sagen, was er will“, sagt Savural. Man müsse sich anhören, was die Menschen bewegt. Der Mann habe sich später entschuldigt und daraus sei eine gute Freundschaft entstanden.

Für Savural ist gegenseitige Toleranz das A und O. Mit Menschen zu sprechen und sich mit unterschiedlichen Meinungen auseinanderzusetzen, ist für ihn auch für die Kommunalpolitik essenziell.

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