Kommunales Wahlrecht: Unmündiger als Teenies

Die Ampelkoalition will das Wahlalter auf 16 senken, doch Dritt­staa­te­r*in­nen dürfen nicht mal kommunal wählen.

Ein Mann lässt einen Ballon steigen, der die Aufschrift "Wahlrecht für alle" trägt

Protest der Initiative „Wahlrecht für alle“ Foto: Christian Mang

Olaf Scholz wurde zum 9. Bundeskanzler der BRD gewählt. Wir wünschen ihm viel Erfolg und eine glückliche Hand. In einem Punkt aber wird er diese glückliche Hand mit aller Wahrscheinlichkeit nicht haben: mehr Demokratie.

Aber haben die Ampelparteien das Wahlalter nicht sogar auf 16 Jahre auf Bundesebene senken wollen, für mehr Beteiligung? Genau hier liegt das Problem: Während Teenager auf Bundesebene künftig wählen können sollen, dürfen erwachsene Menschen aus Drittstaaten nicht einmal auf kommunaler Ebene wählen. Die Ampelparteien halten Mi­gran­t*in­nen ohne deutschen oder EU-Pass also offenbar für unmündiger als 16-jährige Teenager.

Dabei wollten die Ampelparteien doch „mehr Fortschritt wagen“. Viele positive Maßnahmen wurden im Koalitionsvertrag vorgesehen, insbesondere in den Bereichen Vielfalt und Teilhabe. Darunter auch die fällige Erleichterung bei der Einbürgerung, etwa durch die Hinnahme der Mehrstaatigkeit oder für die Gast­ar­bei­te­r*in­nen-Generation, die viel für den Wohlstand unseres Landes geleistet hat. Lobenswert ist auch die Übernahme unserer Forderungen, ein Partizipationsgesetz zu verabschieden und einen Partizipationsrat einzuführen.

Das Wahlalter auf Bundesebene auf 16 zu senken, gehört auch zu diesen positiven Maßnahmen. Gleichzeitig aber findet die Einführung des Kommunalwahlrechts für Drittstaatsangehörige keine Erwähnung. Die Dreierkoalition signalisiert damit, dass sie Mi­gran­t*in­nen auf kommunaler Ebene für politisch nicht mündig genug hält, um mitbestimmen zu können. Wer hier lebt, aber keinen deutschen Pass oder die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitglieds hat, bleibt damit Zaungast in der Kommunalpolitik – im Herzen der Beteiligung – und wird von wichtigen Entscheidungen vor der Haustür ausgeschlossen. Das wiederum ist Gift für das Vertrauen in demokratische Kultur.

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Wir fordern die neue Bundesregierung dazu auf, zügig die Erweiterung des kommunalen Wahlrecht auf Drittstaater in die Hand zu nehmen.

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Memet Kiliç 51 Jahre alt, ist stell­vertretender Vor­sitzender des Bundes­zuwanderungsrates. Er kam 1990 aus der Türkei nach Deutschland und arbeitet als Jurist in Heidelberg. Zuvor war er Bundestagsabgeordneter für Bündnis 90/Die Grünen.

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