Kommentar: Nur Abschalten schafft Vertrauen

Mit dem Rücktritt des Vorstandschefs kann sich Vattenfall nicht freischwimmen Und auch nicht mit der Veröffentlichung der Mängelliste des AKW Brunsbüttel. Die Atomtechnik bleibt Blei am Fuße des Konzerns

Jetzt will Vattenfall alles besser machen. Der krisengeschüttelte Konzern hat seinen Vorstandschef Klaus Rauschner geschasst und will so einen "Neuanfang" starten und "Vertrauen zurückgewinnen". Doch als Befreiungsschlag taugt dieser Personalwechsel nicht.

Der Rücktritt des Chefs ist nämlich nicht die einzige Nachricht, mit der Vattenfall gestern versuchte, in die Offensive zu gelangen. Das Unternehmen gab seinen erbitterten juristischen Widerstand dagegen auf, dass eine sechs Jahre alte Liste mit gefährlichen Mängeln am Atomkraftwerk Brunsbüttel veröffentlicht wird. Und als sollte diese Auflistung um ein praktisches Beispiel ergänzt werden, wurde der Reaktor gleichzeitig erneut heruntergefahren, weil Probleme beim Öl in einem Transformator aufgetaucht sind.

Das alles zeigt: Nicht die Führung oder Kommunikation von Vattenfall ist das Problem. Sondern die Atomtechnik, in der Fehler und Versäumnisse ebenso auftreten wie überall sonst, wo Menschen arbeiten - nur in diesem Fall eben mit potenziell katastrophalen Konsequenzen. Das Gerede von den "sichersten Reaktoren der Welt", die in Deutschland angeblich laufen, klingt angesichts der neuen Erkenntnisse aus dem Innenleben eines deutschen AKWs wie Hohn. Wenn ein Atomreaktor trotz hunderter bekannter Sicherheitsmängel sechs Jahre lang unbeanstandet weiterlaufen darf, zeigt das zudem, dass auch die ebenfalls viel gepriesene Atomaufsicht völlig versagt hat - und zwar unter Führung der angeblich atomkritischen SPD.

Die Forderung von Sigmar Gabriel, alte Kraftwerke schneller vom Netz zu nehmen und neue im Gegenzug länger laufen zu lassen, hilft nicht. Zum einen gehört der Pannen-Reaktor in Krümmel zu den jüngeren AKWs, was zeigt, dass das Alter nicht das einzige Kriterium ist. Zum anderen verzögert eine solche Entscheidung das Ende der Atomkraft weiter und verschiebt die Probleme in die Zukunft.

Die Konsequenz kann stattdessen nur lauten: Atomkraftwerke abschalten. Und zwar sofort. Diese alte Forderung ist so aktuell wie eh und je. Und durch das rasante Wachstum der erneuerbaren Energien ist sie heute leichter umzusetzen als je zuvor.

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Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.

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