Kommentar: Sympathische Rechtsbrüche
Der Staatsschutz nimmt Politaktivisten fest, die sich für den Umweltschutz den Rand der Legalität ausloten. Draf man ihnen dennoch applaudieren?
Erste Szene: Junge Menschen brechen in Zehlendorfer Villen ein. Sie klauen nichts, sondern verrücken nur die Möbel. Und hinterlassen Botschaften an den Wänden - als Statement gegen die ungleiche Verteilung der Besitztümer.
Zweite Szene: Junge Menschen verärgern die Besitzer von Sprit schluckenden Luxuskarossen. Sie klauen die Autos nicht, sie zünden sie auch nicht an. Sie lassen nur die Luft aus den Reifen. Und klemmen Flugblätter hinter die Scheibenwischer. Mit Statements gegen die unsinnige Belastung des Klimas durch Autoabgase.
Das Erste war der Plot des Films "Die fetten Jahre sind vorbei", der vor knapp drei Jahren in den Kinos lief. Mit großem Erfolg. Denn die Protagonisten genossen die Sympathie ihres Publikums, das in einer beliebig gewordenen Welt sehnsüchtig auf neue, treffende Formen der politischen Artikulation wartete.
Die zweite Szene ist Realität. Sie ruft den Staatsschutz auf den Plan, die Polizei bläst zur Razzia bei den Verdächtigen. Die Boulevardpresse feiert den Schlag gegen die "Reifen-Deppen".
Dennoch würde man den Festgenommen am liebsten applaudieren. Nicht klammheimlich, sondern offen und laut. Denn ihre Form des zivilen Ungehorsams trifft zielgenau diejenigen, die ihr egoistisches Vergnügen gedankenlos über die Interessen der Gesellschaft stellen. Aber darf man offen Sympathie äußern für Menschen, die gegen Gesetze verstoßen?
Dritte Szene: Der nicht mehr ganz so junge Innensenator lässt seinen Dienstwagen von Zeit zu Zeit im Halteverbot stehen. "Ich halte jeden für einen Heuchler, der behauptet, dass er sich in seinem Leben immer an alles gehalten hat", sagte Ehrhart Körting (SPD) gestern im Abgeordnetenhaus.
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