■ Kommentar: Freier Protest statt freier Handel Gegen die WTO wird zu Recht protestiert
Die Arroganz der Mächtigen ist dahin, und das hoffentlich nicht nur bis zum Konferenzende am Freitag. Die Opfer des Freihandels haben die Schnauze voll von der Welthandelsorganisation (WTO). Und sie haben Recht, dagegen zu protestieren und sich damit an die WTO und nicht (nur) an die Regierungen zu wenden.
Anscheinend haben die Regierungsvertreter in Seattle wirklich geglaubt, sie könnten den Armen, den Bauern, Umweltschützern und Gewerkschaftlern über die WTO mehr Liberalisierung des Weltmarktes verkaufen, die zwar Opfer fordert, aber im Grundsatz allen mehr Wohlstand brächte. Damit kommen sie nicht durch. Die Protestierenden wollen, wenn überhaupt, eine WTO, in der sich die Interessen der Menschen wiederfinden, und keine Institution, die sich kaum für die Auswirkungen ihrer Regeln interessiert und hinter der sich Regierungen und Konzerne verschanzen können.
Die Armen haben bisher verloren, wenn die Grenzen ihrer Länder geöffnet wurden. Beispiel Saatgut: Nach neuen WTO-Regeln würde es patentiert und die armen Bauern müssten es jedesmal neu kaufen. Das kann ein afrikanischer Kleinbauer nicht bezahlen. Zudem müssten sie fürchten, dass ihr Boden und Grundwasser verseucht würde, wenn künftig ausländische Investoren freien Zugang ohne Rücksicht auf nationale Umweltgesetze bekämen.
Die Protestierenden aus den armen Ländern haben bisher schon schlechte Erfahrungen mit dem Freihandel gemacht. Deswegen haben sie Recht, wenn sie der Verhandlungsmacht ihrer Regierungen misstrauen. Denn die sind kaum in der Lage, sich dem Druck der WTO und Wirtschaftsmächten wie den USA und Europa zu widersetzen. In den armen Ländern werden die Menschen meist von den reichen Eliten ignoriert. Da ist wenig Akzeptanz gegenüber einer undurchsichtigen Welthandelsorganisation in Genf zu erwarten. Also haben sie selber, zusammen mit den Umweltgruppen der Industrieländer, das Wort ergriffen.
Die WTO, gerade fünf Jahre jung, ist schon so verkrustet wie der Internationale Währungsfonds und die Weltbank. Der beeindruckende Protest nicht nur in den USA, sondern auch in anderen Ländern wirkt hoffentlich über die Tagung in Seattle hinaus. Den Kritikern sind ein langer Atem und viele Ideen zu wünschen.
Maike Rademaker
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